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Hübner für eine Jugendarbeit des Leonardo da Vinci hält, wogegen ich auch nichts einzuwenden habe, ist ein herrliches kleines Werk. – Hübner zeigt sich übrigens ganz in seiner Eigenthümlichkeit. Mit der größten Liebenswürdigkeit und Beredtsamkeit möchte er mich auf den Punkt bringen, zu behaupten, daß wir ihm einen Leonardo da Vinci zu verdanken haben; und mit welcher konsequenten Zähigkeit weigert er sich, die kleine Margaretha als ein Werk des Correggio[1] anzuerkennen; obwohl das Bild viel gewisser diesem Meister angehört als sein kleines Bild dem Leonardo. Dieses Bild hat freilich er mit so viel hunderten Guineen gekauft, während die Margeritha von mir aus den verwahrlosten Bildern des Vorraths an das Licht gebracht worden ist. – Die Starmina find zwei liebliche Bilder, der Giottino charakterisiert die großen Konzeptionen der Giottesken Kunst. Der kleine Grieche hilft auch seine Zeit zur Anschauung zu bringen. – Aus dem Museum gehe ich so gleich zu dem Herrn Minister, um ihn von der Ankunft der Bilder und deren Unversehrtheit in Kenntniß zu setzen …

11) Mittwoch … Gegen 11 Uhr gehe ich nach dem Museum … Die Thüre des Restaurationsateliers ist geschlossen. Beim Eröffnen finde ich Hübner, der offenbar das Köpfchen der Madonna des kleinen Leo- nardo da Vinci restauriert hat, während Schirmer den Signorelli gereinigt und gefirnißt hat. Dagegen ist nichts einzuwenden; nur erscheint mir jetzt Schirmer in einem neuen Lichte, der sich vor dem von mir ausgesprochenen Gedanken, daß man Hübner diese Sache überlassen möge, entsetzlich sträubte und nun mit Hübner ein Herz und eine Seele ist. Die Bilder sehen prachtvoll aus. Das kleine Bildchen hat durch die Restauration und Auf frischung außerordentlich gewonnen. Auch ich halte es für eine Arbeit des jungen Leonardo und gebe gern meine Zustimmung, daß es als solche bezeichnet werde, obwohl ich bei der schmeichlerischen Weise, mit welcher Hübner diese Zustimmung zu erlangen sucht, meine eigenen Gedanken habe

12) Donnerstag … Museum … Um 5 Uhr finden sich zum Empfang Seiner Majestät des Königs im Restaurationszimmer ein: Seine Ercellenz der Herr Minister von Geschau, Hübner, Peschel, Schirmer und meine Wenigkeit … Der König sieht die Bilder mit der lebhaftesten Theilnahme und äußert sich sehr zufrieden mit der Erwerbung … Der König begiebt sich noch Der König begiebt sich noch in die Galerie, um den Raum zu sehen, in welchem die Bilder, namentlich der Luca Signorelli aufzustellen sein werden, und entfernt sich dann sichtlich zufrieden ge- stellt … Nachmittag brachte mir Obermann einen Abzug des Blattes „Die Steinigung Stephani“ dar stellend, das sehr schön geschnitten ist.

13) Freitag … Ein Lakai zeigt an, daß Prinz Georg um 2 Uhr das Museum besuchen und die Bilder sehen wolle. Hübner wird hiervon benachrichtiget, findet sich auch mit mir 42 Uhr im Restaurationszimmer ein. Der Prinz läßt nicht lange auf sich warten … Bei dieser Gelegenheit erwähne ich noch, daß Seine Majestät der König gestern bemerkte: Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin Carola habe ihm durch Mittheilung der in einem englischen Blatte aufgefundenen Nachricht über die Versteigerung der Woodburneschen Sammlung die erste Veranlassung gegeben, mit Herrn Minister von Beschau über die Sache zu sprechen, welches dann zu den weiteren Schritten und endlich zu der Erwerbung selbst geführt habe …

16) Montag … Museum … Schirmer, immer etwas mißtrauisch und leicht empfindlich, hat ein Wort und eine Bewegung, mit welcher ich auf eine nur ihm verständliche Weise in Gegenwart Hübners bei der letzten Sitzung andeuten wollte, daß ich eine Retouche, die er auf meinen Rath an dem kleinen Madonnenbilde angebracht, mit Befriedigung bemerkte, mißverstanden und setzt mich auf eine sehr gereizte Weise zur Rede. Ich weiß im Anfang nicht, was er meint, erinnere mich aber dann genau des Sachverhalts und kann ihm beweisen, daß sein Mißtrauen ihn auf ganz falſche Fährte gebracht hat, worauf er sich auch beruhiget …

18) Mittwoch … Museum. Schirmer zeigt mir noch einmal das Bildchen von Leonardo da Vinci, an welchem er auf meinen Rath noch eine kleine Retouche angebracht hat, die sehr wohl thut.

19) Donnerstag … Herr Schulze schreibt mir aus Paris, daß mehrere Abnehmer der Bibel ungeduldig werden, weil die Lieferungen zu lange auf sich warten lassen …

22) Sonntag … Gang nach der Ausstellung, die ich heute zum erstenmal ordentlich sehe. Die Marien am Grabe von tom Dieck sind mit großer Liebe ausgeführt, in der Konzeption aber wenig bedeutend. Das Bild von Klenze, die wahrscheinlich ganz frei zusammengestellte Ansicht eines altgriechischen Ortes darstellend, ist mit bewunderungswürdiger Sorgfalt ausgeführt und macht dem großen Architekten alle Ehre. Plüddemanns Bild „Friedrich der Rothbart schlichtet einen Streit“ ist mit viel Leben und Geschick angeordnet und ausgeführt. Es könnte leicht kommen, daß dasselbe für die Galerie an gekauft wird[2]. Die große Kreuzabnahme von Jacobs[3] ist nur ein Beweis, daß der Maler wohlthun würde, bei seinen Scheherazaden[4] zu bleiben und die Heiligen zu


  1. Vergl. oben unter dem 30. August 1859.
  2. Dies ist geschehen.
  3. Oben erwähnt unter dem 7. Mai.
  4. „Scheherasade erzählt dem Sultan Märchen“, ein in Königsberg befindliches Bild von Jacobs.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/205&oldid=- (Version vom 19.8.2024)