Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/17

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

15) Freitag ... Es besucht mich Herr Wittering, Sekretär der Akademie in Amsterdam, der Dresden zum ersten Mal besucht. Unsere Galerie macht einen starken Eindruck auf ihn, und er erklärt, daß die Pariser, namentlich in Ansehung der Räumlichkeiten und der Aufstellung, ihn lange nicht so befriedigt habe ...

16) Samstag ... 12 Uhr Galerie-Kommission. Schirmer hat die „Taufe“ von Francesco Francia in das Restaurationszimmer bringen lassen, an welcher sich einige Theile zu lösen drohen. Sodann ist auch die „Anbetung der Hirten“ nach Raphael[1] auf der Staffelei, die trotz des Parquets sich bedeutend krumm gezogen hat. Bei ersterem Bild muß mit dem Balsam das Mögliche gethan werden, bei dem letzteren wird beschlossen an den Seiten des Bildes Leisten einzufügen, welche der Bogenlinie desselben folgen und die Lücke zwischen Bild und Rahmen decken. Das Bild, das schon seit lange unverändert in diesem Zustand ist, mit Gewalt in seine ebene Lage zu bringen, wird für unthunlich gehalten. Endlich wird Hübners erneuerter Vorschlag, die Magdalena von Correggio [?] wieder in dem alten, mit Steinen verzierten Silberrahmen aufzustellen, in Erwägung gezogen. Die Mitglieder der Kommission sind außer Hübner zwar der Ansicht, daß das Bild mit einem neuen Rahmen zu umgeben, der alte Silberrahmen aber nicht mehr in Anwendung zu bringen sei ...

18) Montag ... Besuch bei Binzer. Zwei der neulich gesehenen neuen Kompositionen finde ich mit Berücksichtigung meiner Bemerkungen umgeändert. Sie haben außerordentlich gewonnen. Außerdem sehe ich das Zimmer mit vielen Zeichnungen und Farbenskizzen dekorirt, die von dem Reichthum und Umfang des Talentes ihres Urhebers eine günstige Meinung erwecken ...

20) Mittwoch ... Museum. Schirmer hat an der „Taufe“ des Francia die losen und gehobenen Farbentheile nach vorheriger Erweichung und Tränkung mit dem Balsam copaivae glücklich niedergelegt, und das Bild wird auf lange Zeit wieder halten. Die Abnahme der gelben und trüben Oberfläche des Bildes ist zu gefährlich, als daß Schirmer nicht davon abstehen sollte. Zu Hause finde ich von Bethmann-Hollwegs Vortrag über „Christenthum und bildende Kunst“, welchen derselbe auf dem Kirchentage zu Stuttgart gehalten hat. von Bethmann-Hollweg sendet mir die Schrift selbst. Dieselbe scheint mir ganz vortrefflich. Meines Bibelwerks ist ehrende Erwähnung geschehen ...

21) Donnerstag ... Die „Taufe Christi“ von Fr. Francia macht heute bei dem hellen Wetter und nach der Reinigung einen herrlichen Eindruck ...

22) Freitag ... Sitzung des akademischen Raths ... endlich wird auch die Kommission gewählt, welche auf Grund der eingegangenen Einzelgutachten in Betreff der 5000 Thaler, deren Bewilligung von den Ständen erbeten und gehofft wird, die Vorarbeit für den Vortrag an den Landtag liefern soll. Es werden Professor Hettner, Bendemann und ich gewählt. Kaum war die Sitzung zu Ende, als ich durch Georg Rietschel[2] die Mittheilung erhalte, daß in unserer Wohnung Feuer entstanden, aber die Gefahr beseitiget sei, ich jedoch in der bereit gehaltenen Droschke mich sogleich nach Hause verfügen solle. Dort angekommen finde ich die Wohnung mit Feuermännern und Gensdarmes nebst den Meinigen gefüllt. Julius und Georg sind zu Rietschels in Sicherheit gebracht worden. Alles schwimmt in Wasser. Der Boden im großen Zimmer wird nächst dem Schlafzimmer aufgehauen. Der Balken, welcher hier längs der Wand liegt, brannte großentheils ... Die Hausfrau hat sich vortrefflich benommen; aber auch die Löschmannschaft. Polizei und Dienstleute, wie die Kinder, haben alle nach ihrem Beruf und ihrer Art sich bestens gehalten. Um 9 Uhr ist jede Gefahr beseitigt, und die Polizei und die Löschmannschaft mit ihrer Handspritze begeben sich weg. Sechs Mann Feuerwächter bleiben in dem Salon während der ganzen Nacht ... Herr Dr. Hübner,[3] Lehrer in der Blochmannschen Anstalt und noch aus der guten Zeit uns befreundet, stellt sich im Beginn der Gefahr ein, dringt auf das Herbeibringen der Spritze, ist dann aufs dienstfertigste zur Hand und verläßt uns erst nach völliger Beseitigung der Gefahr ...

23) Samstag. Wir erleben den Morgen ohne weitere Sorgen und haben nur der wunderbaren Bewahrung zu gedenken, die wir erfahren haben. Unser Eigenthum ist unbeschädiget ...

25) Montag ... Um 5 Uhr kommen Hettner, Bendemann und ich zusammen im Sitzungszimmer der Akademie, um jene vom akademischen Rath uns übertragene Vorarbeit zu beginnen. Wir tauschen heute unsere Ansichten gegen einander mit aller Offenheit, jedoch friedlich, aus. Wir stehen einander näher, als wir wohl glaubten. Bendemann ist ein Repräsentant der gegnerischen Ansicht, der es jedenfalls ernst, redlich meint und einer wahren Kunst nichts vergibt. Hettner, welchem die Aufgabe zufällt, unsere Meinungen zusammenzufassen, das Uebereinstimmende unter einen Ausdruck zu bringen und dem Abweichenden auch

Rechnung zu tragen, findet sich noch nicht in seine


  1. Nach Wörmanns Katalog zu 201 B ist das Bild ein Werk von Girolamo da Treviso dem jüngeren.
  2. Ernst Rietschels zweiter Sohn, jetzt Professor der Theologie an der Universität Leipzig.
  3. Dr. phil. Joh. Gottlieb Hübner, später Professor der Vorbereitungswissenschaften an der Königlichen Thierarzneischule in Dresden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/17&oldid=- (Version vom 21.8.2024)