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lassen und Ludwig vorgelegt. Er hat von Ludwig in vortheilhaftester Weise geschrieben, aber allerdings denselben erst für 1859 zur Verfügung gestellt, da dessen Gebundenheit bis zum September dauert. Lüttichau hat nun Tichatscheck von neuem engagirt und ohne Noth bei dem Absagebrief an Ludwig Gründe angeführt, welche annehmen ließen, daß Devrient Ludwig als unfähig geschildert hätte, Tichatschecks Stelle einzunehmen. Nun ist ein neues Engagement Ludwigs für Carlsruhe verabredet und dem Abschluß nahe ...

1858.

Januar.

3) Sonntag. Es ist heute des Geh. Rath Carus Geburtstag, und ich bin zur Feier desselben für den Abend eingeladen. Da ich nun im vorigen Jahr auf Bestellung eine Zeichnung für ihn fertigte, die ihm, ohne daß ich es wußte, von den Seinigen geschenkt wurde, und da ich doch große Verehrung für den Mann gewonnen und mancherlei Güte und Freundlichkeit von ihm erfahren habe, so nehme ich heute Gelegenheit, ihm eine Zeichnung zu schenken. Ich wähle zum Geschenk die Zeichnung: „Wie der Erzengel Michael Mosis Leiche vor dem Angriff des Satans beschirmt“. Die Aufmerksamkeit wird gut aufgenommen, und ich empfange den Dank dafür, als ich mich am Abend in dem Hause einstelle. Die Gesellschaft ist eine sehr große, kaum kann das Haus sie fassen. Sie ist auch eine gewählte; es fehlt nicht an vornehmsten Personen, ebenso wenig an Künstlern. Rietschel ist seit seiner Krankheit zum ersten Mal wieder in großer Gesellschaft. Andreä und von Binzer sind da. Man hört vortreffliche Musik. Den Anfang macht ein großes Quartett von Mozart. Dann singt die Bürde-Ney. Zum dritten hört man eine Sonate von Weber für Pianoforte und Clarinette. Was weiter kommt, weiß ich nicht, da ich am Schluß der Sonate mit Andreä mich entferne ...

7) Donnerstag ... Indessen bin ich mit der Aufzeichnung des Einzugs in Jerusalem fertig geworden. Es ist ein sehr reiches Blatt und es verdiente wohl gut geschnitten zu werden ... Nach dem Thee wird wieder aus „Friedrich der Große“[1] gelesen. Heute wird die Frauenzimmerschreiberei fast unerträglich. Nur der Stoff trägt das Buch. – In der Allgemeinen Zeitung finden wir einen Kunstbericht über ein Bild des russischen Malers Kotzebue, welches überaus gelobt und davon Veranlassung genommen wird, über die Historienmalerei der dahingehenden Klassischen weidlich loszuziehen. Unsere Kunst wird jetzt die „akademische“ genannt und dagegen das Panier der gegenwärtig regierenden, in meinen Augen nur Anekdoten-malenden Historienmaler hoch geschwungen. Dieses in München, während wir hier der monumentalen Kunst zu ihrem Recht verhelfen wollen. So verändern sich die Zeiten.[2]

8) Freitag ... Um 5 Uhr Sitzung des akademischen Raths. Der Vorsitzende erwähnt die Eingaben in Betreff des Postulats für Kunstzwecke ... Die eingegangenen Aufsätze waren heute Vormittag in meinen Händen ... Sie sind interessant und bezeichnend. Hettner hat sich ganz in Uebereinstimmung mit mir ausgesprochen, ebenso Hähnel, im wesentlichen auch Rietschel. Bendemann hat nur von der Organisation der Verwaltung gesprochen, dabei dem Verein der selbstständigen Künstler eine große Rolle zugedacht, im ganzen, wie mir scheint, die Rechnung etwas ohne den Wirth gemacht. Hübner hat auch die Aufträge und die Bezahlung bedeutend in den Vordergrund geschoben. Richter, Nicolai, Heine haben sich gar nicht ausgesprochen ...

9) Samstag ... Den Abend bringen wir bei Rietschels zu. Außer uns (fünf Personen) sind Andreäs und die Brüder Dorer[3] zugegen. Wir sind sehr heiter beisammen. Ich lerne auch Herrn von Schober aus Wien[4] kennen, der sich zufälliger Weise bei Rietschel eingefunden hatte.

11) Montag ... 3/45 Uhr stelle ich den Act. Wir haben ein neues Modell, einen himmelhohen Kerl, der gut gebaut und muskulös, nur etwas zu alt ist, um ganz brauchbar zu sein ...

12) Dienstag ... 5 Uhr Hauptcorrectur des Actes. Man merkt, daß die Schüler die Verhältnisse des neuen Modells nicht gewöhnt sind. Bei den meisten Zeichnungen sind diese auf das gewöhnliche Maß herabgesetzt. Um so nothwendiger ist es, dem Schüler immer neue Individualitäten vor Augen zu stellen.

13) Mittwoch ... Die beiden kleinen Berchems aus dem Vorrath, braun in braun gemalt, sind in der Galerie aufgestellt worden und nehmen sich sehr schön aus. In den nächsten Tagen werden noch einige Veränderungen vorgenommen werden, die ich mit Schirmer verabredet habe. – 4 Uhr Direktorialversammlung des Kunstvereins. Konstituierung des Direktoriums. Geh. Rath Spitzner lehnt die auf ihn gefallene Wahl zum Vorsitzenden ab, nimmt aber, nachdem nun Hettner fast einstimmig zum Vorsitzenden gewählt wird, die Stellvertretung an ...


  1. Von Luise Mühlbach.
  2. Das in der Allgemeinen Zeitung vom 4. Januar 1858 S. 50 besprochene Kotzebuesche Bild stellt eine Scene aus der (neueren) Schlacht an der Trebbia mit Suworow als Hauptperson dar.
  3. Eugen Robert Dorer, Bildhauer, geb. 1830 zu Baden im Aargau, gest. 13. April 1893 ebenda, und sein älterer Bruder Edmund, der bekannte Schriftsteller, dessen nachgelassene Schriften Graf Adolf Friedrich von Schack 1893 zu Dresden herausgab.
  4. Franz von Schober, Dichter, der Freund Franz Schuberts und Schwinds, geb. 1796 in Torup, gest. 1882 in Dresden: vergl. Allgem. Deutsche Biographie Bd. 32 S. 202–206.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/16&oldid=- (Version vom 20.8.2024)