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20) Dienstag ... Der Herr Minister hat mir den Katalog der Gewehrgalerie zugeschickt, aus dem ich ersehe, daß die Sammlung eine in vielen Hinsichten sehr bedeutende ist und gewiß verdient, einer gründlichen Wiederherstellung ihrer Bestandtheile und der Lokalität ein Opfer zu bringen. Um 12 Uhr finde ich mich mit Inspektor Renner in dem alten Galeriegebäude ein, wo die Sammlung während des Umbaues des der Gewehrgalerie von jeher zugehörigen Lokals untergebracht und aufgestellt ist. Wir finden bereits den Oberstallmeister von Engel Exc. bei dem Inspektor Hänisch, bald darauf erscheinen der Minister von Zeschau und der Geh. Hofrath Bär, endlich treffen auch der Hofbaumeister Krüger und der Maler Lankau ein. Die Restauration der Bilder, Porträts und Turniere etc. wird sofort genehmigt, nachdem Renner seine sehr mäßige Forderung gestellt hat. Die gründliche Wiederherstellung der Rahmen etc., die Ausmalung der Decke und Fensterverzierungen wird endlich auch als unerläßlich anerkannt und das nöthige Geldopfer zugestanden. Es versteht sich, daß man sich in allen Stücken genau an das großentheils noch vorhandene Alte anschließen wird und es sich zum strengsten Gesetz macht, den Charakter des seine Zeit so scharf ausprägenden Ganzen überall inne zu halten. Der Herr Minister zeigt auch hier, daß er bei aller Berücksichtigung seiner Pflichten als guter Haushalter, doch auch die gerechten Forderungen zu würdigen weiß, die von dem Standpunkte der Erhaltung und Pflege der ihm unterstellten Sammlungen ihm entgegentreten ...

21) Mittwoch ... Gegen Abend kommt Andreä und zeigt die Zeichnung, die er für das Dante-Album des Königs gefertigt hat. Sie ist recht schön und könnte bei größerer Durchbildung allerdings noch schöner sein ...

22) Donnerstag ... Da Geheimer Rath Kohlschütter noch immer leidend ist, eine nochmalige Besprechung des Programms für die Ausschmückung der Terrassentreppe aber unerläßlich erscheint, so sind die betreffenden Mitglieder des akademischen Raths heute Mittag 12 Uhr in seine Wohnung beschieden ... Es stellen sich Hettner, Hähnel, Nicolai außer mir ein, Wießner fungiert als Sekretär. Es wird von Nicolai eine Zeichnung zur Treppe vorgelegt, die, im ganzen das Alte vollkommen beibehaltend, bei dem Aufgang eine wesentliche Verschönerung und Verbesserung angibt und allgemeine Zustimmung findet. Was die Gegenstände betrifft, so wird bei der Ausschreibung zur Konkurrenz nur der eine, von mir vorgeschlagene Gegenstand festgehalten, nämlich die Jahreszeiten, im übrigen bemerkt, daß den Konkurrenten der Vorschlag neuer Ideen unbenommen sein soll ...

25) Sonntag. Erster Weihnachts-Feiertag. Ich höre Liebners herrliche Predigt in der Sophienkirche. Herr Morris Moore[1], Besitzer des angeblichen Rafael, „Apollo und Marsyas“, ist hier mit seinem Bild angekommen und bringt mir Briefe von Förster und Professor Vogel aus München ...

26) Montag. Zweiter Feiertag ... So sehe ich denn das viel bestrittene Bild, sehe eine Photographie der in der Sammlung zu Venedig aufbewahrten Handzeichnung und was sonst an Zeichnungen Analogien darbietet. Das etwa eine Elle hohe Gemälde ist von der feinsten Ausführung, von hoher Schönheit und von trefflicher Erhaltung. Ich bin überzeugt, daß es von Rafaels Hand ist. Auf meine Kunstkenntniß würde ich ein solches Urtheil nicht stützen. Kenne ich wohl den Francia, so kenne ich doch den Timoteo della Vite nicht, dem Passavants[2] das Bild zuschreibt; kann aber von anderer Hand als der des göttlichen Rafael der Kopf und Obertheil des Apollo geschaffen worden sein? und hierzu nun die Handzeichnung, die in dem Venetianischen Katalog als unzweifelhaft echte Arbeit des Meisters bezeichnet ist, des Zeugnisses, das die Zeichnung in sich selber trägt, nicht zu gedenken! Diese Stützen sind mir hinreichend, um eine Ueberzeugung mir zu bilden. Eigenthümlich ist der Marsyas. Derselbe ist ganz menschlich gebildet, selbst das Eselsohr, das die Zeichnung andeutet, ist weggeblieben. Apollo ist ohne irgend eine Gewandung dargestellt; auch Marsyas ist ganz unbekleidet. Außer diesem Bilde sehe ich dann auch das Bildniß des Dante, das Rafael nach einem Gemälde des Giotto gemalt haben soll, welches sich in Florenz im Palazzo del Barghello vorgefunden hat ...

28) Mittwoch ... Ich bespreche mit Schirmer die Angelegenheit Moore und sein Bild und lese ihm den langen Artikel desselben[3] vor, in welchem Passavant, Eastlake und Waagen so niederträchtig schlecht gemacht sind ... Gegen Abend erhalte ich von Carus einige Zeilen nebst einer Anzeige über die Ausstellung des Apollo und Marsyas zum Besten der Schiller-Stiftung, welche ich und Hübner mit der Erklärung unterzeichnen soll, daß gegen die Autorschaft des Rafael kein Zweifel mehr erhoben werden kann. Diese Erklärung kann ich nicht unterzeichnen und Hübner, welchen ich sogleich in seinem Haus aufsuche, will das auch nicht thun. Da wir aber beide davon überzeugt sind, daß Rafael wirklich der Urheber des Bildes ist,

so schlägt Hübner eine andere Form für die Erklärung


  1. Schon erwähnt unter dem 23. Dezember 1856.
  2. Im deutschen Kunstblatt 1855, Nr. 44, S. 388.
  3. Erste Beilage zur Königl. privileg. Berlinischen Zeitung 13. Febr. 1857, S. 3–7.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/153&oldid=- (Version vom 10.9.2024)