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11) Mittwoch ... Gegen 1 Uhr bin ich wieder zu Hause, und mit mir zugleich kommt die Fürstin [von Wittgenstein], die Prinzessin und etwas später Liszt. Mit Ausnahme Liszt’s, welcher nach kürzerem Besuch sich wieder entfernt, bleiben unsere Gäste bis gegen 3 Uhr und lassen sich mit der Beschauung des Albums und meiner biblischen Zeichnungen bewirthen. Sie äußern sich etwas überschwänglich, sind aber sehr liebenswürdig und freundlich. Ich habe nur meinen Jammer wegen Verlust so vieler Tagesstunden, die ich meinen künstlerischen Arbeiten entziehen muß ...

14) Samstag. Wir wußten, daß Ludwig vorigen Sonntag als Robert auftreten sollte. Da wir von Ludwig noch keine Nachricht über den Erfolg erhalten, waren wir nicht ohne einige Sorge. Heute kam ein Brief aus Carlsruhe, an dessen Adresse ich Devrients Hand sogleich erkannte. Ich erschrak und fürchtete böse Nachricht. Der Inhalt war indessen nur erfreulich. Devrient berichtet, daß die schwere „Herzensprobe“ glücklich überstanden worden, daß Ludwig nun in volle Thätigkeit wieder eintreten werde, daß er (Devrient) jetzt „große Dinge mit ihm“ vorhabe. Keine Botschaft konnte uns erfreulicher und erwünschter sein. Devrient theilt mir auch mit, daß der Großherzog ein Benefiz für das Weberdenkmal bewilligt habe ...

15) Sonntag ... Wigand sendet mir meine Exemplare der nun erschienenen zwei Lieferungen meiner Bibel. Ich meine, sie gehören nicht zu den schlechtesten ...

16) Montag ... Robert ist also glücklich über die Bühne gegangen, und, da Grimminger krank geworden, studirt Ludwig nun seine Lieblingspartien, den Tannhäuser, Lohengrin, Masaniello etc. Gott erhalte ihm seine Gesundheit ...

17) Dienstag. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, Peschel im Atelier zu finden, gelingt es mir heute, ihn und sein Bild zu sehen. Sein Altargemälde ist nun fast vollendet und macht ihm alle Ehre. Manches ist mir nicht recht daran, indessen schweige ich hiervon. Wer eine so schwere Aufgabe mit solchem Ernst löst, soll wegen des einen oder andern Bedenkens des wohlverdienten Beifalls nicht verlustig gehen ...

18) Mittwoch ... Museum. Schirmer hat ein Paar unserer schönsten Porträts von Rubens unter den Händen. In Schlichtheit und Strenge der Auffassung gleichen sie den Holbein’schen Porträts, an Glanz und Leben überbieten sie dieselben ...

19) Donnerstag ... Um 11 Uhr gehe ich zum Herrn Minister, der mich gestern bestellt hat. Der Minister theilt mir mit, daß der König von meinem Bericht über die Einrahmungsangelegenheit der Holbeinschen Madonna nun Kenntniß genommen und fürs erste sich dahin entschieden hat, daß auch der Hübner’sche und der letzte Gruner’sche Entwurf als Decoration im großen gemalt werden soll, wie bereits schon früher der Krüger’sche Entwurf ausgeführt worden ist, um dann vergleichen und wählen zu können ...

21) Samstag ... 12 Uhr Galerie-Kommission. Nur Rietschel fehlt. Wir sehen die prachtvollen Bildnisse von Rubens Nr. 810, 811, 813 und das schöne Porträt von Rembrandt Nr. 1164,[1] und es entspinnen sich dabei lebhafte Besprechungen, die indessen in eben der wohlthuenden Harmonie verbleiben, in welcher das Rembrandt’sche Werk gehalten ist ...

22) Sonntag ... Gegen Mittag erhalten wir famose Nachrichten von und über Ludwig. Gleichzeitig treffen Briefe aus Frankfurt und aus Carlsruhe ein. Marie theilt uns mit, was Paldamus in der Badischen Landeszeitung gelesen hat, daß Ludwig nun doch den Tannhäuser gesungen und, wie es heißt, „sich selbst übertroffen“ und großen Beifall geerntet hat. Und Ludwig schreibt, daß er unerwartet vom Director einen Tag vor der Aufführung den Bescheid erhalten hat, den Tannhäuser (der natürlich vorher schon von ihm einstudirt war) zu singen, nach einer einzigen Orchesterprobe die Partie ohne Fehler gesungen habe mit gleicher Kraft bis zum Schluß, drei Mal gerufen worden sei, nach jedem Act vom Director persönlich Lobsprüche erlangt und am nächsten Morgen völlig frisch sich befunden habe. – Abends besuchen uns Andreäs und Freund Rietschel. Die Nachrichten, welche letzterer uns über Rauchs Befinden mittheilt, sind äußerst betrübend. Die Aerzte haben wenig Hoffnung, ihn auch nur so weit wieder herzustellen, daß er nach Berlin transportirt werden kann.

24) Dienstag ... Ludwigs Ruhm ist übrigens auch schon in die hiesigen Zeitungen gedrungen. Es besucht mich gegen Abend Baron Carl von Binzer,[2] Bildhauer, von Rom kommend. Er hat einen schönen Auftrag zur Ausschmückung eines gräflich Hohenthalschen Schlosses[3] erhalten und wird nun hier bleiben, um Cartons zu zeichnen. Er erzählt mir viel von Cornelius, Wittig,[4] Wislicenus.[5] Seiner Richtung nach scheint er ganz einer der Unsern zu sein.

Merkwürdig, daß jetzt so viele Umstände auf Hebung einer


  1. Die Nrn. 810 und 811 („Bildniß einer Frau mit goldenen Brustschnüren“ und „Bildniß eines Herrn, der seine Handschuhe anzieht“, jetzt 1023 D und 1023 C) wurden inzwischen als Werke van Dycks erkannt; den Nrn. 813 („Bildniß eines Herrn neben einem Tische“) und 1164 („Bildniß eines bärtigen Alten“) entsprechen die jetzigen Nrn. 960 und 1567.
  2. Jetzt als Maler in München lebend.
  3. Zu Dölkau bei Merseburg.
  4. August Wittig, Bildhauer, geb. 1823 in Meißen, gest. 1893 in Düsseldorf: vergl. Allgem. deutsche Biographie Bd. 43 S. 638 f.
  5. Hermann Wislicenus, Maler, geb. 1825 in Eisenach, gest. 25. April 1899 in Goslar.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/13&oldid=- (Version vom 29.8.2024)