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sein würde, wenn sie einzeln sich aufgesucht und vereinigt hätten, wo es dann geradezu unmöglich war, einen Zusammenstoß abzuwenden. Solche Elemente hatten wir durch unsere Vereinigung angezogen, und die Hoffnung, daß es ihnen am Ende doch noch gelingen könne, uns mit sich fortzureißen, hielt sie an uns fest. Veranlassungen zu Ausbrüchen dieser wilden Flamme der Empörung gab es leider sehr viele, immer aber waren wir so glücklich, sie niederhalten zu können und den Ausbruch derselben zu dämpfen, freilich konnte dies in der Regel nur geschehen, indem wir uns mit auf den Standpunkt der Wüthenden stellten, was ohne Benutzung dieser Taktik geradezu unmöglich geworden wäre, und es war namentlich für die Offiziere um so schwieriger, Vernunft zu predigen, da deren Wirken schon, eben weil sie Offiziere waren, von vornherein verdächtig und darum gehemmt erschien. Der heftigste Angriff dieser Art auf die ruhige und besonnene Haltung des Bataillons erfolgte am Freitag Nachmittag, als vom Militär die Plakate der provisorischen Regierung abgerissen wurden, und es gelang nur dadurch ihn der Neustadt unschädlich zu machen, daß wir zuletzt den fast vor Wuth Schäumenden zuredeten, daß sie mit ihren Waffen allein durch Uebersetzen bei der Schiffmühle [1] sich zu den Altstädtern begeben möchten, was endlich von 6 oder 7 der Wüthenden geschah, welche indeß dem größten Theile nach der Kommunalgarde nicht angehörten, sondern freiwillig Bewaffnete waren.

Da bis Sonnabend Nacht genug Militär in die Stadt gekommen war,[2] so war jede Befürchtung, daß von Neustadt selbst Gefahr für sie drohen könne, vollkommen verschwunden, darum waren wir recht herzlich froh, – so nämlich, wie es unter so schauderhaften Verhältnissen möglich, – daß wir endlich abtreten und nicht länger den Posten zu halten genöthigt waren, und somit hatte bis auf Weiteres unsre Thätigkeit als Kommunalgarde ihre Endschaft erreicht.



Aus Julius Schnorrs Tagebüchern.
XVII.
1857.

Oktober.

26) Montag ... Abends lesen wir Heiterethei zu Ende. Der Anfang des Buches befriedigte mehr, als das Ende. Doch ist es ein tüchtiges, tief durchdachtes Werk. 27) Dienstag ... Abends lesen wir aus dem Ludwig’schen Buche die zweite Geschichte: „Vom Regen in die Traufe“ ... Sie ist vortrefflich und erweckt die größte Heiterkeit der Zuhörer.

31) Samstag. Reformationsfest. Unser Hochzeitstag. Heute vor dreißig Jahren wurde ich mit Marie Heller verbunden ... Für den Abend sind Gabers ... und Hemken eingeladen ... Ein prachtvoller Strauß, mit rothseidenen Bändern gebunden, auf denen unser Wappen und ein schönes Richter-Bildchen gedruckt zu sehen, schmückt die Tafel. Gabers haben diese schöne Gabe dargebracht.

November.

7) Samstag. Galerie-Kommission ... Das Porträt Steinla’s, von diesem selbst gemalt und der Galerie als Geschenk zugedacht, wird einstimmig für würdig zur Aufnahme erkannt ... Liszt gibt heute ein großes Concert. Ich habe die Absicht, dasselbe anzuhören, kann aber keinen Platz mehr bekommen ...

8) Sonntag ... Gegen Mittag erhalte ich von Joch endlich den längst erwarteten Probedruck nebst einem entschuldigenden Schreiben. Das Blatt „Des Johannes Geburt“ ist trefflich gearbeitet, und so ist man denn bald wieder mit der Langsamkeit des Arbeiters versöhnt. ½5 Uhr begebe ich mich zur Fürstin Wittgenstein, wo zugleich auch Rietschels eintreffen. Außer uns sind Direktor Gruner und Alfred Meißner[3] Gäste an der Mittagstafel. Es geht ganz lebhaft zu. Geistreich ist die Fürstin, und die Prinzeß ist sehr liebenswürdig. Liszt war zu Herrn von Lüttichau ein geladen und kam erst nach Tisch. Mit ihm oder wenig später kommen Auerbach und seine Frau, dann Dawison, Gutzkow. Man bleibt bis gegen 6 Uhr. Liszt scheint schlecht aufgelegt und drückt sich bald mit einem Paar der Besucher bei Seite. Die Lebhaftigkeit der Unterhaltung wird dadurch nicht gestört, und ich befinde mich fortwährend im anregendsten Gespräch. Etwas ist mir zuwider. Die Fürstin raucht ...

9) Montag ... Auerbach sendet mir sein neuestes Büchlein, ein Kalenderbuch, das ich gestern schon bei der Wittgenstein gesehen habe. Die erste Erzählung hat Gellerts letzte Tage zum Gegenstand. Wir lesen diese Erzählung heute Abend. Diesem Gegenstand ist Auerbach nicht gewachsen. Den lieben, frommen und gottesfürchtigen Mann kann er zeichnen, aber nicht den Christen.

10) Dienstag ... Ade schickt mir einen Probedruck des Blattes „Jesus und die Sünderin“. Der junge Mann könnte sich etwas mehr Zeit lassen. Die Arbeit ist nicht schlecht; wie sehr unterscheidet sie sich aber von dem, was z. B. Joch macht! –


  1. Bei Neudorf, da, wo jetzt das Dienstgebäude der Wasserbau-Direktion steht.
  2. Die sächsischen Schützen, das sächsische Leibregiment und das Füsilier-Bataillon des preußischen Kaiser Alexander-Regiments.
  3. Alfred Meißner (1822–1885), Dichter und Arzt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/12&oldid=- (Version vom 9.8.2024)