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Am 15. Juni, um 9 Uhr, war Morgenaufwartung beim Kaiser. Um 10 Uhr Frühstück. Um 11 Uhr Parade. Um 7 Uhr Abends Diner.

Am 16. Juni alles wie gestern, außer daß der König von Sachsen zu Mittag einen Besuch beim Kaiser machte.

Am 17. Juni wie gestern, außer daß der Kaiser allein mit seinem Hofe der Oper „La Stella (?) della sposa“[1] in seinem Theater im Palais beiwohnte.

Am 18. Juni Morgenaufwartung, Frühstück, Diner zur gewöhnlichen Stunde, sonst nichts.

Am 19. Juni, früh 9 Uhr, hielt S. M. der Kaiser Morgenempfang. Um 10 Uhr frühstückte er. ½11 Uhr ritt er zur Parade, bis 11 Uhr, worauf er sich nach der Neustadt begab, die Dörfer Neudorf, Pieschen, Trachau und das ganze Biwak im Walde passirte, in die Stadt zurückkehrte und alle neuerrichteten Verschanzungen besuchte. Um 3 Uhr Nachmittags kam der König von Sachsen zum Kaiser und hatte eine zweistündige Unterredung mit ihm. Um 7 Uhr speiste der Kaiser und ging nicht mehr aus.

Am 20. Juni, ½10 Uhr, frühstückte S. M. der Kaiser; um 10 Uhr ritt er zur Parade ins Ostragehege; von da begab er sich in die Stadt auf den Zwingerwall und dann durch die Stadt vor das Pirnaische Thor. Dort bestieg er den Wagen und fuhr ohne Aufenthalt nach der Festung Königstein, wo er alles in Augenschein nahm. Bei seiner Rückkehr von Königstein hielt er sich auf dem Sonnenstein auf, dem festen Schloß der Stadt Pirna. Er verließ den Wagen, um Kenntniß von der Lage zu nehmen. Dann kehrte er nach Dresden zurück, wo er Abends 7 Uhr eintraf und sofort speiste.

Am 21. Juni: Morgenempfang, Frühstück und Diner zur gewöhnlichen Stunde. Der Kaiser ging nicht aus.

Am 22. Juni, früh 5 Uhr, ritt S. M. der Kaiser durch Alt- und Neustadt-Dresden bis zum Dorfe Loschwitz, wo er den Wagen bestieg, um auf dem rechten Elbufer nach Pillnitz, einem Luftschlosse des Königs von Sachsen, zu fahren. S. M. der Kaiser frühstückte hinter Pillnitz auf freiem Felde und fuhr dann nach Lohmen und Wehlen, wo er die Ufer der Elbe in Augenschein nahm. Dann kehrte er nach der Stadt und ins Hauptquartier zurück, wo er gegen Mittag ankam[2]. Abends 8 Uhr kam die Königl. Familie zum Diner zum Kaiser.

Tafel beim Kaiser, am 22. Juni 1813:[3]

Nachdem die Gäste die innersten Gemächer des Kaisers betreten hatten, wurde der Tisch in 6 Minuten gedeckt und nach dem Diner in 4 Minuten abgedeckt[4].

Abends 9 Uhr führte der Kaiser die Königin, denKönig und die ganze Königl. Familie durch die Zimmer des Fürsten von Neufchâtels[5] in das Theater des Palais, wo eine zahlreiche Adelsgesellschaft, die mit auf ihren Namen lautenden Karten eingeladen war, sich versammelt hatte und den Majestäten ihre Huldigungen darbrachte. Man gab zwei französische Lustspiele, „Die Wette“[6] und „Die Folge eines Maskenballes“[7], welche von den Pariser Schauspielern[8], die vor Kurzem auf Befehl


  1. Den Komponisten dieser Oper weiß ich nicht anzugeben. Das Fragezeichen steht auch im französischen Texte.
  2. Napoleon verfolgte bei diesen Ausflügen einen doppelten Zweck: einmal brauchte er für seine Gesundheit reichliche Bewegung, dann aber verschaffte er sich eine genaue Kenntniß des Geländes, deren baldige Verwerthung für ihn gewiß schon damals im Bereiche der Möglichkeit lag.
  3. Statt „Prinz August“, den es damals in Sachsen nicht gab (denn Prinz Friedrich August wurde Prinz Friedrich genannt), muß es „Prinzessin Augusta“ heißen. Dann ist die Zusammensetzung der Tischgesellschaft dieselbe wie am 13. Juni (1. oben S. 93), nur daß diesmal Prinzessin Elisabeth fehlt. Man vergleiche auch die Tafel am 24. Juni dess. J. (s. unten S. 95).
  4. Dem wird die Dauer des Diners selbst entsprochen haben. Napoleon liebte es gar nicht, lange zu tafeln.
  5. Dieser hatte auch hier (außer seinem Quartier im Brühlschen Palais) einige Zimmer für sich, weil er als Generalstabschef der Armee immer in nächster Nähe des Kaisers sein mußte.
  6. Der Titel ist wie bei einigen später erwähnten Stücken nicht genau citirt. Es ist „La gageure imprévue“ von Sedaine gemeint.
  7. Von Frau de Bawr.
  8. U. a. Talma, St. Prir, Armand, Fleury und die Damen Thenard, Mars, Bourgoin; dazu die aus Petersburg zurückgekehrte Georges. Sie spielten auch allwöchentlich einmal im Schauspielhause. Billets zu diesen Vorstellungen wurden aber nur vom französischen Kammerherrn Turenne und im sächsischen Hofmarschallamte ausgegeben, und zwar unentgeltlich. Damit war einem größeren Kreise der Dresdener Bevölkerung Gelegenheit geboten, klassische und neuere französische Stücke von den besten Pariser Kräften spielen zu sehen. Das wurde als einer der „lichten Punkte“ des damaligen Dresdener Lebens empfunden (vergl. „Journal für Luxus, Mode u. s. w.“ 1813. S. 500).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/100&oldid=- (Version vom 27.8.2024)