– „Ja, mein Herr, Sie sind ein Dichter“
Höhnst du, Vogel? Willst du scherzen?
Steht’s mit meinem Kopf schon schlimm,
Schlimmer stünd’s mit meinem Herzen?
Fürchte, fürchte meinen Grimm! –
Selbst im Grimm noch schlecht und recht.
– „Ja, mein Herr, Sie sind ein Dichter“
Achselzuckt der Vogel Specht.
* * *
Im Süden.
So häng’ ich denn auf krummem Aste
Und schaukle meine Müdigkeit.
Ein Vogel lud mich her zu Gaste,
Ein Vogelnest ist’s, drin ich raste.
Das weisse Meer liegt eingeschlafen,
Und purpurn steht ein Segel drauf.
Fels, Feigenbäume, Thurm und Hafen,
Idylle rings, Geblök von Schafen, –
Nur Schritt für Schritt – das ist kein Leben,
Stets Bein vor Bein macht deutsch und schwer.
Ich hiess den Wind mich aufwärts heben,
Ich lernte mit den Vögeln Schweben, –
Vernunft! Verdriessliches Geschäfte!
Das bringt uns allzubald an’s Ziel!
Friedrich Nietzsche: Lieder des Prinzen Vogelfrei. E. W. Fritzsch, Leipzig 1887, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_fr%C3%B6hliche_Wissenschaft-1887-Nietzsche.djvu/349&oldid=- (Version vom 31.7.2018)