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Malers erkannt und zwar eines solchen, der mit den Giorgionesken gar nichts zu schaffen hat, weßhalb er den Caroto vorschlug. Er kam damit, wie ich glaube, der Wahrheit sehr nahe. Irre ich nicht sehr, so gehört jenes Bild einem Maler an, der dem Cavazzola in einer gewissen Epoche seiner Wirksamkeit sehr nahe stand und der auch mit ihm zusammen gearbeitet haben muß, wie die Bilder No. 298 (die Heiligen Michael und Paulus) und No. 301 (die Heiligen Petrus und Johannes d. T.) im städtischen Museum von Verona beweisen. Es ist dieß der wenig bekannte Michele da Verona, von dem bezeichnete Fresken in der Veroneser Kirche von Santa Chiara zu sehen sind. Auch er kam aus der Schule des Domenico Morone, wie Cavazzola und wie Francesco Morone. In dieser Epoche (1509–1514) unterscheidet man die Werke des Cavazzola nur mit Mühe von denen des Michele da Verona. Das schöne Bild z. B. in der Sakristei der Kirche von Santa Anastasia in Verona, welches man dort dem Cavazzola zuschreibt, gehört, meiner Ansicht nach, dem Michele an. Dieser ist spitziger sowohl in den Falten seiner Gewänder als auch in den Fingern seiner Hände, welche letztere bei Cavazzola immer etwas stumpf sind. In der Auffassung jedoch ist Cavazzola dem Michele weit überlegen und auch eleganter und edler in der Zeichnung.

In demselben Saale hängt auch (No. 597) ein h. Nicolaus im Kirchenornate, zwischen den Heiligen Johannes dem Täufer und Philippus. Das Bild ist bezeichnet 1533. F. SEBASTIAN. F. PER AGOSTINO CHIGI. Nun starb aber Agostino Chigi, wenn ich nicht irre, schon 1520[a 1]. Die ganze Aufschrift ist offenbar apocryph, und das Gemälde weist auf die Weise des Rocco Marconi hin, eines Schüler’s des Palma und des Bordone[a 2]. Derselben Ansicht sind auch die Herren Cr. u. Cav., und gewiß alle, die auch nur eine oberflächliche Bekanntschaft mit den venezianischen Meistern haben, werden diesem ihrem Urtheile beistimmen.

Druckfehlerverzeichnis

  1. Vorlage: 1524
  2. Vorlage: eines Schüler’s des Bordone
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)