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noch an den herrlichen h. Liberale in dem berühmten Bilde Giorgione’s zu Castelfranco. Als eines der letzten Bilder des Palma darf die große „Anbetung der heiligen drei Könige“ angesehen werden, die er für die Kirche di Sant’ Elena in Isola bei Venedig zu malen angefangen hatte und die sodann zum größten Theil von einem seiner Schüler, wahrscheinlich von Cariani, vollendet wurde. Die Herren Cr. u. Cav. sehen in diesem Bilde dagegen den Einfluß sowohl des Cima als auch des Carpaccio (Bd. II, S. 468). Das Bild hängt jetzt in der Breragalerie zu Mailand unweit von einem andern Bilde des Cariani[1] bequem zum Vergleiche. Unter allen Malern der nachbellinischen venezianischen Schule ist wohl Palma vecchio der kräftigste und gediegenste, wie sein Schüler Bonifazio Veronese mir der heiterste und brillanteste zu sein scheint. Beide Meister werden gar oft mit einander verwechselt. – Gehen wir nun zu Lorenzo Lotto, dem Freund und Kunstgenossen des Palma vecchio, über.

Nach der gewöhnlichen Angabe ist Lorenzo Lotto um 1480 geboren, doch bin ich geneigt, seinen Geburtstag um etliche Jahre zurückzuschieben, etwa in’s Jahr 1476. Denn erstens ist sein Bild in der Louvregalerie No. 227, den h. Hieronymus darstellend, mit dem Namen und der Jahreszahl 1500 bezeichnet,[2] schon mit einer gewissen


  1. Der Contract für dieses Bild wurde im Archivio Veneto (Tom. I, parte Ia, p. 167) mitgetheilt. Die Bestellerin war Orsa, die Wittwe des Simone Malipiero. Jacopo Palma qdn. Ser Antonij bekam 100 Ducaten dafür (1525). Palma scheint im folgenden Jahre erkrankt zu sein.
  2. Ich habe die Jahreszahl bei gutem Lichte sehr genau und mit mehreren einsichtigen Kunstfreunden, den Herren Vicomte Tauzia, Director der Louvrebildergalerie, Grafen Clément de Ris und Dr. Gustavo Frizzoni aus Bergamo, untersucht, und wir alle vier haben dieselbe für echt und nicht alterirt, wie die Herren Cr. u. Cav. meinen, erklären müssen. Es sind also diese zwei Pariser Bilder, das von Lotto im Louvre und jenes von Palma bei Herrn Reiset, welche den Zankapfel zwischen den Herren Cr. u. Cav. und mir bilden; denn während dieselben das cartellino auf dem Palma’schen Bilde für echt ansehen und die Jahreszahl
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/50&oldid=- (Version vom 31.7.2018)