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Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin

in dem Adam und der Eva im Hofe des Dogenpalastes zu Venedig). Man besehe sich auch die Statuen an den Altären in den Kirchen Verona’s. So erkennt man an mancher Sculptur des Alfonso Lombardi[1] den Geist des Dosso Dossi u. s. f.

Im Mailändischen allein hat die Skulptur sich von der Malerei nicht nur nicht in Schatten stellen lassen (wozu vielleicht die zahlreichen Skulpturarbeiten an und in der Certosa von Pavia und am Dome von Mailand das ihrige beigetragen haben mögen), sondern sie hat dieselbe in mancher Beziehung sogar beeinflußt.[2]


  1. z. B. in jenen Büsten an der Façade des Palazzo Bolognini zu Bologna.
  2. Andrea Solario ist in der Modellirung seiner Köpfe allen andern Zeitgenossen voran; siehe z. B. sein „Ecce homo“ in der Sammlung Poldi-Pezzuoli zu Mailand; und diese Meisterschaft möchte er wohl seinem Bruder Cristoforo, dem Bildhauer, zu verdanken haben. Ein Porträt in Basrelief von Cristoforo Solario, il Gobbo, im Museum Trivulzio zu Mailand, macht ganz den Eindruck eines Bildnisses von Andrea Solario. – Auch den Einfluß Amadeo’s, des Bildhauers, auf den Maler Bramantino glaubte ich sehr deutlich in einer „Anbetung Christi“ oder „Natività“ in der Bildergalerie der Ambrosiana wahrzunehmen. Die Herren Crowe und Cavalcaselle wollen zwar jene „Natività“ dem Bramantino absprechen, aber, wie ich meine, mit großem Unrecht. (Bd. II, 32.) Man vergleiche in diesem Bilde z. B. die Form des Ohres, der Hände, den dem Bramantino ganz eigenthümlichen landschaftlichen Hintergrund, mit andern beglaubigten Werken des Meisters, und man wird sich leicht überzeugen, daß auch dies Bild ein Werk, und zwar ein Jugendwerk, des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino, ist. Dafür erklärt es auch die Direktion der Ambrosianagalerie. Zudem finden wir in diesem Gemälde auch noch eine der dem Bramantino eigenthümlichen altmodischen Hauben auf dem Kopfe der Madonna. Diese Hauben finden sich in keinem Bilde der andern Mitschüler Bramantino’s in Foppa’s Atelier, weder bei Ambrogio Borgognone, noch bei Ambrogio Bevilacqua, weder bei Zenale oder Buttinone, noch bei Civerchio. Dagegen finden wir sie in einem Jugendbilde des Bernardino Luini (in der Kirche alla Passione zu Mailand) und in allen Jugendbildern des Gaudenzio Ferrari.
    Wir geben hier die dem Bramantino eigenthümliche Form des Ohres und der Hand, welche sehr verschieden ist von der Form des Ohres und [8] der Hand in den Bildern des Vincenzo Foppa. Bei diesem letztern[WS 1] ist das Ohr von einer klotzigen, unbedeutenden Form, die Hand aber charakteristisch wegen der stark accentuirten Muskelsehnen der Finger.
    Bilder des Bramantino finden sich häufig in Mailand und im Mailändischen: zwei in der Ambrosianasammlung, mehrere Fresken in der Breragalerie; Bilder von Vincenzo Foppa: zwei in der Breragalerie, 69 und 466 bis 471 (fälschlich dem Zenale zugeschrieben), ferner mehrere Frescobilder im Museo archeologico, im Erdgeschoß des Brerapalastes. Das Frescobild Foppa’s No. 69 der Breragalerie stellt das Martyrium des h. Sebastian dar und stammt aus der ehemaligen Kirche S. Maria di Brera her. Lornazzo citirt es. Die Bilder No. 466 bis 471 stellen Maria mit [9] Christkind und vier Engeln, und auf den Seiten die hh. Antonius von Padua, Bernardin, Ludwig von Toulouse, Hieronymus, Bonaventura, Vincentius, Alexander und Clara dar. Diese sechs Tafeln bildeten dereinst das vom Anonymus des Morelli citirte Altarbild der Kirche S. Maria delle Grazie in Bergamo. – (Siehe Anonymus, Notizie 52).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: letzern
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/26&oldid=- (Version vom 22.6.2019)