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von Masolino und seinem Schüler Masaccio in die Malerei eingeführt und von Fra Filippo auf’s glänzendste entwickelt und vervollkommnet wurde, fand ihren energischsten, geistreichsten Vertreter in des Fra Filippo Schüler, dem eminenten Alessandro Botticelli von Florenz, einem Künstler, dem man erst in diesen unsern Tagen wieder die Achtung angedeihen läßt, die er wirklich verdient. – Die Münchener Galerie hat von ihm ein einziges Werk aufzuweisen, eine s. g. Pietà oder Beweinung Christi. Maria, in deren Schooße der Leichnam ruht, wird ohnmächtig von Johannes unterstützt, während zwei h. Frauen Füße und Haupt Christi mit ihren Thränen benetzen und eine dritte rückwärts verhüllt steht, drei Pfeile in der Hand haltend.

Diese fast lebensgroßen Figuren sind alle von höchster Lebendigkeit und nehmen jede in ihrer Art den innigsten Antheil an dem Vorgange. Ebenfalls gute und charakteristische Arbeiten sind die zwei Bilder, die von Filippino Lippi, dem Sohne Fra Filippo’s und Schüler Botticelli’s, im nämlichen Saale 9 aufgestellt sind. Das eine davon, No. 563 (Christus mit den fünf Wundmalen erscheint seiner Mutter Maria), ist im Kataloge richtig bezeichnet; das zweite, (No. 538) aber trägt irrthümlich den Namen des Domenico Ghirlandajo. Es stellt eine „Pietà“ dar; der todte Christus ruht im Schooße der göttlichen Mutter, auf der einen Seite die beiden Johannes, von denen der Täufer noch ganz an den Lehrer Botticelli erinnert; auf der andern der h. Jacobus und die h. Magdalena; in den Wolken drei Engel mit den Leidenswerkzeugen, im Hintergrunde eine schöne Landschaft. – Schon von den Herren Cr. und Cav. (II, 451) dem Filippino zugesprochen.

Zu den bedeutendsten Werken florentinischer Meister, die die Münchener Galerie zu besitzen sich rühmen darf, gehören aber unstreitig die drei großen Tafelbilder des Domenico Ghirlandajo, Saal 9, No. 556, 557 und 558. Das erste derselben stellt die h. Catharina von Siena

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)