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Vor einem etwas vorgebauten Gehöft eines langgestreckten Dorfes hielt im Schutze eines gewaltigen Strohstakens der Stab eines Infanterie-Regimentes. Und keine tausend Meter nach vorwärts auf dem ebenen, von Waldstücken unterbrochenen Gelände lagen in dünnen Linien hinter schnell aufgeworfenen Deckungen die deutschen Schützen. Soeben war wieder ein Sturmangriff des Feindes blutig zurückgewiesen worden. Noch knallte das Verfolgungsfeuer mit wütender Heftigkeit hinter den zurückgehenden Franzmännern her. Eine Batterie, die hinter dem Dorfe stand, feuerte Salven auf den Gegner. Und heulend fuhren die Granaten über die Köpfe der Offiziere hinter dem Strohschober auf den Feind zu.

Der Oberst zündete sich jetzt mit Gemütsruhe eine frische Zigarre an und sagte nebenbei zu seinem Adjutanten, einem langaufgeschossenen, blonden Westfalen:

„Sehen Sie, Frerka, da rennt die Gesellschaft wieder. Schade, daß wir noch immer nicht den Befehl zum Vorgehen bekommen.“ Die Zigarre brannte. Der Ober tat ein paar Züge und fuhr dann fort. „Die Franzosen müssen reichlich Verstärkungen bekommen haben, sonst würden sie nicht so angriffslustig sein. – Halt, da kommt ein Meldereiter von der Brigade.“

Der Unteroffizier parierte sein Pferd vor dem Regimentschef.

„Befehl vom Herrn Brigadekommandeur. Unser Flügel geht zurück. Das Regiment deckt den Abmarsch der Division unterstützt von zwei Batterien. Vorher noch ein allgemeiner Vorstoß.“

Der Oberst brummte etwas in seinen dicken Schnurrbart. Sicher eine Antwort, daß er verstanden habe. Aber seine Worte wurden durch den Krach einer in den Strohstaken einschlagenden, platzenden Granate vollkommen verschlungen. Im Nu stand der weit auseinandergerissene Haufen des leicht brennbaren Materials in hellen Flammen, so daß der Regimentsstab, von dem niemand verletzt worden war, schleunigst sich hinter das Gehöft zurückziehen mußte.

Von hier aus gab nun der Oberst, nachdem der Meldereiter wieder zur Brigade zurückgeschickt war, seine Befehle weiter. Im Kreise standen um ihn herum seine Offiziere – die Pferde waren in einer nahen Schlucht in Sicherheit gebracht

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W. Belka: Die Versprengten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1914, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Versprengten.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)