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haben, die hier am Flusse in zahllosen Schwärmen auftraten. Inzwischen beobachtete er die Vegetation und die Tierwelt. Da bemerkte er gar Sonderbares. Die Wintersaat war schon zwei Meter hoch und begann zu verdorren. Neues Grün sproßte zwischen den gelben Halmen hervor, und es zeigten sich doch keine Aehren. Das heißt, Aehren mit Samen waren wohl da, aber das waren keine Getreidekörner.

Das Getreide wuchs eben auf Kosten des Samens so rasch in die Höhe. Es verwilderte, es vergraste. Denn unser Roggen, Weizen, Gerste sind schließlich auch nichts weiter als eine Grasart, die aber in gemäßigtem Klima auf Kosten ihrer Halmhöhe soweit veredelt worden ist, daß sie mehligen Samen, Körner, hervorbringt. Es gedeiht in südlichen Gegenden solches Getreide überhaupt nicht, d. h., es wächst dort nur als hohes Gras und giebt keine Aehren.

Dieselbe Erfahrung machte Richard bei den einheimischen Obstbäumen, wie Kirschen, Aepfeln, Birnen und so weiter. Die Bäume trieben ungeheuere Blüten und Blätter, aber alles auf Kosten der späteren Früchte. Diese wurden nur ganz klein und holzig, und nach wenigen[WS 1] Jahren mußte sich der schönste, aromatische Tyrolerapfel in eine ungenießbare Holzkugel verwandelt haben. Nicht einmal die Pfirsiche wollten recht gedeihen, auch sie wurden holzig oder verfaulten am Stamm.

Hast Du, lieber Leser, nicht schon von den köstlichen Früchten gehört und gelesen, die auf dem heißen Gürtel der Erde dem Bewohner jener glücklichen Gegenden zum Munde hineinwachsen? Von der saftigen, herrlichem Ananas zum Beispiel, die wild im Freien gedeiht?

Glaube es nicht, es ist nicht wahr! Die Ananas, die dort unten wächst, ist ganz holzig und ungenießbar. Diejenige, die wir essen, ziehen wir bei uns in Gewächshäusern, und will der Westinder eine gute Ananas haben, so muß er sie auch erst im Hause ziehen. Aber er thut das nicht, er bezieht sie aus – England, und daher sind die Ananas in ihrer Heimat viel, viel teurer als in Deutschland, Frankreich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: weinigen
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Robert Kraft: Die Totenstadt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Totenstadt.pdf/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)