im Übrigen ihre Zweckbestimmung gewissermassen von selbst. Sie lässt sich kurz dahin zusammenfassen, dass die Barren bestimmt waren allen denjenigen Zwecken zu dienen, denen bisher aes rude und Rohbarren gedient hatten – mit einziger Ausnahme jedoch des durch das neue Wirtschaftssystem antiquirten ehemaligen Tauschverkehrs.
Wären wir genauer als wir es sind über sämtliche Gebrauchsmöglichkeiten des Roherzes unterrichtet, so würden sich diese Zwecke im Einzelnen aufzählen lassen. Indess würde eine solche Übersicht mehr Sache der prähistorischen und archäologischen Forschung sein als der Numismatik. Für die Zwecke der letzteren genügt es zu wissen, dass man u. A. Roherz den Göttern weihte, indem man es als Opfer (stipes, aera stipata) in Tempeln oder an Quellheiligtümern niederlegte; dass man es den Todten mitgab; dass es bei symbolischen Rechtsakten, der emtio-venditio per aes et libram, der mancipatio, der fideijussio u. s. f. in Anwendung gebracht wurde; vielleicht wurden auch die an einander passenden Fragmente gebrochener Stücke gleich Scherben als tesserae hospitales benutzt und was dergleichen Gebräuche mehr sein mochten. Für alle diese z. T. bis in die Kaiserzeit hineingehenden Sitten hatte sich der Gebrauch des aes rude neben dem des Geldes erhalten. Geld war eine Neuerung, die für viele dieser geweihten Ceremonien nicht passte, ausser wenn es durch Fragmentierung selbst wieder in den Zustand von aes rude versetzt wurde. Nun entschloss sich Rom vom Jahre 312 an für die Latinergemeinden in seiner capuanischen Offizin Schwergeld herstellen zu lassen. Neben dem Geldbedarf aber lag in allen diesen Gemeinden das Bedürfnis vor auch Bronzestücke zu besitzen, die nicht Geld waren, um hiermit denjenigen Sitten zu genügen, mit denen die Zweckbestimmung des Geldes sich nicht deckte und zu deren Übung bisher Roherz sei es in formlosen oder in geformten Stücken gedient hatte. Der Geschmack der Zeit jedoch war ein verfeinerter und der Augenschein bestätigt es, dass die öffentliche Behörde auf weitere Verfeinerung des Geschmacks planmässig hinwirkte. Zu diesem Zwecke wurden die schönen neuen Barren der capuanischen Offizin hergestellt und zwar in dem Sinne, dass von Beginn an jeder Schwergeldreihe ein besonderer Barren beigefügt wurde. Indem das Barrenmetall nach dem Feingehalt des Münzmetalls gegossen wurde, vermied es zugleich einen wesentlichen Mangel des Roherzes und der Rohbarren. Der praktische Vorzug, wonach in Folge dessen die Wägung zugleich den inneren Wert der Barren mit Sicherheit feststellte, ferner ihr schönes äusseres Ansehen scheint den Barren alsbald eine weite Verbreitung verschafft zu haben. Dies beweist ihr Vorkommen bis in die etruskischen und umbrischen Gebiete. Allerdings schützte die äussere Schönheit die meisten von ihnen nicht vor dem Schicksale in regellosester Weise zerbrochen zu werden. Hierin
Ernst Justus Haeberlin: Zum Corpus numorum aeris gravis. Verlag der „Berliner Münzblätter“, Berlin 1905, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Systematik_des_%C3%A4ltesten_R%C3%B6mischen_M%C3%BCnzwesen.djvu/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)