Nun aber standen die Barren nicht allein; sie standen neben einem wohlausgebildeten System gemünzten Geldes und hiermit wird die Frage nach ihrer Geldeigenschaft eine weit präzisere. Nunmehr nämlich fragt es sich, ob sie in der Tat Geld dieses Systems, d. h. ob sie gesetzliches Zahlungsmittel waren, genau in demselben Umfange wie das gemünzte Geld das gesetzliche Zahlungsmittel der Epoche bildet.
Die grosse Verkehrserleichterung, welche die Einführung der gegossenen mit Wertzeichen versehenen Münzen dem Bronzegebiet gebracht hatte, war die Entbehrlichkeit des bisherigen Metallwiegens. Allerdings schwanken auch die Gewichte der einzelnen Münzstücke beträchtlich, bei dem römischen Libral-As im allgemeinen zwischen 290 und 250 gr., in einzelnen extremen Exemplaren nach oben bis 312, nach unten bis unter 230 gr. Dennoch kann nicht scharf genug dem Irrtum entgegengetreten werden als seien diese Stücke immer noch Gegenstand einer kontrollirenden Nachwägung gewesen. In jeder einigermassen grösseren Anzahl von Stücken glichen sich die Gewichtsunterschiede von selbst aus auf das Sollgewicht. Der Staat verbürgte durch die Aufsetzung gleicher Wertzeichen auf die einzelnen Nominale deren gleiche Geltung. Im vollen Sinne des Wortes ist das Wertzeichen die lex specialis des einzelnen Stücks; sonst wäre es umsonst darauf angebracht. Sogar der Umstand, dass einzelnen Assorten das Wertzeichen fehlt ändert hieran nichts; wenn irgendwo so gilt hier der Satz exceptio firmat regulam. Weil Geldstück, war auch der nicht mit Wertzeichen versehene As als As anzunehmen. Die Münzen dieser Periode werden ihrem Begriffe nach gezählt, nicht gewogen.
Alles dies trifft bei den Barren nicht zu. Sie tragen weder die im Wertzeichen ausgedrückte Geltungsvorschrift, noch haben sie ein bestimmtes Normalgewicht, noch sollen sie es haben. Sie waren daher nicht befähigt im Sinne einer definirten Geldgrösse umzulaufen.
Es fragt sich daher weiter, ob mit ihnen eine dem alten Tauschverkehr analoge Verkehrssitte wieder aufgenommen, ob eine solche neben dem eigentlichen Geldverkehr erneuert oder aufrecht erhalten werden sollte? Geht man nämlich davon aus, dass der Staat durch die Aufsetzung gewisser Typen auf die Barren zwar nicht deren Aswert im Einzelnen, wohl aber den Feingehalt des Metalls verbürgt habe, so könnte hieraus ein Grund für die Annahme hergeleitet werden, dass mittelst des Hilfsmittels der Wage es möglich, zulässig und üblich gewesen sei den Wert des einzelnen Barren nach Assen und Unzen zu ermitteln, um ihn auf Grund des so gefundenen Wertes in Zahlung zu geben. Dieser Auffassung stehen jedoch die gewichtigsten Bedenken entgegen. Man versetze sich in die Lage, die seit etwa 335 v. Chr. durch die Einführung des Schwergelds geschaffen war. Auf das wohltätigste musste es empfunden werden, dass seit dieser Zeit der alte Übelstand des
Ernst Justus Haeberlin: Zum Corpus numorum aeris gravis. Verlag der „Berliner Münzblätter“, Berlin 1905, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Systematik_des_%C3%A4ltesten_R%C3%B6mischen_M%C3%BCnzwesen.djvu/60&oldid=- (Version vom 31.7.2018)