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zu suchen sei, zu welchem Zeitpunkt überhaupt die Libralmünzung begonnen habe, welches die örtliche Herkunft jeder einzelnen Reihe sei, über welchen Zeitraum ihre Münzung sich erstreckt habe, ferner welche Stellung diesen Reihen unter sich und in ihrer Beziehung zu der hauptstädtischen Reihe zukomme, alles dies waren Fragen, die der Lösung noch harrten. Dieselben Fragen ergaben sich rücksichlich der Barren, zumal bei ihnen noch nicht einmal feststand, ob überhaupt oder wie sie dem Münzsystem einzureihen seien. Endlich musste die Wahrnehmung, dass diese Münzen und Barren durch ihren Stil wesentlich nach Campanien, durch die Funde hingegen nach Latium (letzteres im weitesten Sinne verstanden) verwiesen werden, dazu beitragen die Probleme noch schwieriger und das über das ganze System gebreitete Dunkel noch rätselhafter erscheinen zu lassen.

Es sind dies die Probleme, welche seit Lanzis und Eckhels Zeit die numismatische Wissenschaft bewegen, ohne dass die Erkenntnis wesentlich weiter als zur Zusammenfassung gewisser Typenreihen zu einzelnen Serien vorzudringen im Stande gewesen wäre.

Auch ich habe versucht auf die verschiedenste Weise der Lösung des Problems näher zu kommen. Lange Zeit aber mussten diese Versuche erfolglos bleiben, weil sie von derselben irrigen Voraussetzung ausgingen, durch welche die ganze bisherige Forschung auf eine prinzipiell unrichtige Fährte geleitet und von dem angestrebten Ziele abgelenkt worden war. Diese Voraussetzung aber bestand in der mit der Zeit zum Axiom gewordenen Annahme, dass jede einzelne Reihe einer bestimmten einzelnen Stadt ihre Entstehung verdanken müsse. Der Irrtum war ein verzeihlicher; er hatte den Schein der Richtigkeit um so mehr für sich, da ja auch die Prora-Reihe als die Reihe einer bestimmten Stadt, nämlich als die Reihe Roms feststand. Vielfache Versuche sind daher gemacht worden die einzelnen Reihen bestimmten anderen Städten zuzuweisen. Der Aufwand des Wissens, der an diese Versuche verschwendet wurde, vermochte über ihre innere Unhaltbarkeit kaum hinwegzutäuschen. Von schlüssigen Beweisen war nicht die Rede; es konnte auch, so wie die Sache in Wahrheit steht, davon nicht die Rede sein.

Selbst aber in dem hergebrachten Irrtum befangen erhoffte ich noch bis vor Kurzem die endliche Lösung einesteils von einer eingehenden Fundstatistik, andernteils von möglicht präciser Feststellung der historischen und der staatsrechtlichen Gesichtspunkte. Indess auch nach diesen Richtungen war das Ergebnis eine Enttäuschung. Keineswegs ergab die Fundstatistik gewisse Zentren, an die als an ihre Heimatstätten die einzelnen Reihen hätten angeschlossen werden können; sie lehrte vielmehr, dass die aufschriftlosen Reihen unter sich und mit der römischen vermischt durch ganz Mittelitalien ungefähr gleichmässig

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Justus Haeberlin: Zum Corpus numorum aeris gravis. Verlag der „Berliner Münzblätter“, Berlin 1905, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Systematik_des_%C3%A4ltesten_R%C3%B6mischen_M%C3%BCnzwesen.djvu/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)