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so ängstlich gehütet vor Jugend und Kraft, stehen dem Alter und der Routine weit offen. Wer einmal einen Erfolg hatte, wird immer wieder aufgeführt, mag seine Phantasie längst vertrocknet, sein Geist längst ausgeraucht sein. Gab es wirklich in Deutschland einen vollsinnigen Menschen, der nicht nach der Lektüre von Otto Ernsts „Bannermann“ nicht nur die – ja bei Ernst selbstverständliche – vollständige Wertlosigkeit erkannt, sondern der nicht auch den totsichern Durchfall prophezeit hätte? Und bei der Studentenkomödie, die Hartleben noch signiert hatte? Sie wurden an Dutzenden von Theatern angenommen, bevor sie noch irgendwer kannte, und ein Direktor nach dem andern führte sie auf und zahlte sogar hohe Tantièmen-Garantien. So folgt die ganze Herde dem Leithammel in den Abgrund … Das sind aber dieselben Direktoren, die bei künstlerisch zu wertenden Stücken keine Mark für „Experimente“ übrig haben, die so streng sind gegen jedes ernste Streben. Da heißt es in Ablehnungen bald: das Milieu ist nicht mehr „neu“ genug oder die Vorgänge sind zu theatralisch. Ist die Arbeit aber fein und still, dann „mangelt ihr die Bühnenwirkung“. Ist das Milieu neu, dann kann man es doch nicht „wagen, dem Publikum die Einführung in solche Kreise zuzumuten“. Wie milde sind dagegen diese strengen Richter gegen die Routine, die bereits einmal Kasse machte! Da gibt es keine Bedenken, und am liebsten wäre es ihnen, wenn dieselbe Art immer wieder variirt würde. Kaum einer unter ihnen sieht weiter als bis zum letzten Erfolg. Ein Beispiel: Schnitzler und Sudermann brachten Einakter-Cyclen als Variationen eines Grundthemas. Aus diesem hübschen Gedanken möchten die „Theaterpraktiker“, diese Strategen des Durchfalls, ein Gesetz machen, das die natürliche Buntheit eines Einakter-Abends für immer ausschließt.

Wenn ich von Direktoren hier sprach, so sprach ich nur von jenen, die es für nötig halten, eine „literarische“ Maske anzustecken. Diese Heuchelei, die für den Dramatiker zu dem Schaden eines zerstörten Lebenswerkes noch den Spott einer anmaßenden Heuchelei fügt, muß ausgerottet werden. Es ist einfach nicht wahr, daß außer Trägheit und Profitgier hier noch ernste Erwägungen bei der Auswahl eines Stückes entscheiden. Nicht nur der Erfolg, schon die Annahme ist der Zufall … Natürlich gibt es feine und wohlwollende Leute auch in den Bühnenleitungen; aber, abhängig von Agenten, bemüht, die Konkurrenz in „Namen“ zu überbieten, was ja der großen Menge die führende Stellung zu verbürgen scheint, und verlockt durch die Bequemlichkeit der Geschäftsschablone geben sie bald ihre redlichen Versuche auf.

Ich habe versucht, das auszusprechen, was ist. Es wird nötig sein, auch das auszusprechen, was sein sollte.

Wien. Dr. Ludwig Bauer.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bauer: Die Straße des Ruhms. Reiss (Die Schaubühne, Jahrgang 1 (1905) Nr. 3, Seiten 59-62), Berlin 1905, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Schaub%C3%BChne_Jg._1_(1905)_-_Nr._3_-_S._59-62_(Ludwig_Bauer_-_Die_Stra%C3%9Fe_des_Ruhms).pdf/4&oldid=- (Version vom 19.4.2023)