Seite:Die Sage-Karl Wehrhan-1908.djvu/72

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Weniger treten schon die Wolken in der Sage hervor; sie sind das Verhüllende gemeinhin, in Bergländern heißen sie Berghüte. Wenn die Aargauer zarte Sommerwolken über den Schwarzwald aufsteigen sehen, so sagen sie, die Wälderinnen strecken ihre blanken Arme herüber.

Nur die Wetter- oder Gewitterwolke tritt besonders in den Sagen hervor. Noch heute sagt man vom Donner: den Schläfer weckt er auf, den Fresser schlägt er tot. Das Gewitter ist eben im Glauben des Volkes ein Vorgang, bei dem der Mensch seine täglichen Bedürfnisse vergessen muß. Meist ist das Gewitter bei den Völkern personifiziert, bei den Griechen lenkte es Zeus, bei den Römern Jupiter; auch die Germanen haben schon in vorhistorischer Zeit die Vorstellung von einem sich im Donner zu erkennen gebenden persönlichen Wesen gehabt, wenn es ihnen ursprünglich auch fremd gewesen ist, und ihnen die Naturerscheinung auch an und für sich schon Furcht und Schrecken eingeflößt hat. Thor oder Donar schleuderte seinen Hammer. In einigen Sagen erscheint die Gewitterwolke selbst personifiziert. Sie ist ein siedender Kessel oder ein Backtrog der Riesen, mit besonderer Betonung des Blitzes auch wohl der Feuerdrache, der durch den Schornstein Glück oder Unglück hereinbringt, in anderen Sagen endlich der Riese oder die Riesin selber.

Sonne und Mond werden in den Sagen zumeist als etwas Feindliches hingestellt. In der Oberpfalz beteten bei Sonnenfinsternissen alte Leute, daß der Mond doch nicht Meister werde; man schlug mit Messern auf alte Pfannen und Sensen, warf auch Brosamen ins Feuer. Während der Zeit fällt giftiger Tau vom Himmel, weshalb an dem Tage kein Vieh weiden darf. Auch der Brunnen wird vergiftet. Sonne und Mond werden zuweilen als Mann und Frau, auch als ungetreue Liebesleute hingestellt. Bekannt sind ja die verbreiteten Sagen von den Gestalten in Sonne und Mond. Es soll ein Mädchen sein, das spinnen muß – daher das Gespinst des Altweibersommers – oder ein Mann, der den Sonntag entheiligt hat.


Literatur: E. L. Rochholz, Erd- und Himmelskunde in der Sagenzeit (Gaea. XVI. 1880. Heft 2). – E. L. Rochholz, Naturmythen. Neue Schweizersagen. Leipzig 1862. – K. Fuß, Die Natur und ihre Glieder in Lied, Sage, Märchen und Fabel. Nürnberg 1898. – M. Rehsener, Die Gebirgsnatur in Vorstellung

Empfohlene Zitierweise:
Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/72&oldid=- (Version vom 31.7.2018)