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erfahrenen Räumen unserer Sinne erheblich abweicht[1]). Und um diese Frage nur handelt es sich zunächst[2]).

Auf dem Boden sinnesphysiologisch begründeter Erkenntnistheorie kann also nur relative Bewegung in Frage kommen. Schlechthin zu sagen, wie es gesagt worden ist[3]), dass von zwei relativ zu einander bewegten Körpern mindestens der eine auch absolut bewegt sein müsse, heisst daher für diesen Standpunkt Metaphysik zulassen: über nicht Erfahrbares eine Aussage machen, die auf absolute Gültigkeit Anspruch macht. Jene Behauptung hätte nur Sinn, wenn man sie ausdrücklich auf den von der physikalischen Theorie vorausgesetzten Raum bezöge und einschränkte, auf den Raum, auf welchen jene Theorie die in dem wirklich erfahrenen Raume beobachteten Vorgänge nur abbildet. Damit würde man durch Definition einen Begriff absoluter Bewegung aufstellen, von dem dann weiter zu ermitteln wäre, ob er der Physik einen Dienst leisten könnte oder nicht[4]). Die Machsche Relativitätstheorie sagt nun aus: nicht nur, dass der Begriff der absoluten Bewegung für eine Erkenntnistheorie auf sinnesphysiologischer Grundlage keinerlei Bedeutung habe, sondern auch, dass er physikalisch sinnlos sei, d. h. der Physik auch bei ihrer Abbildung der Vorgänge in metrischen Räumen keinen Dienst zu leisten vermöchte. Und auf denselben Boden stellt sich die Einsteinsche Theorie. Während Mach aber die seinige vor allem aus der Betrachtung der Zentrifugalvorgänge heraus begründet, stützt Einstein seine Lehre auf elektromagnetische, im besonderen auf optische Vorgänge.

7. Einstein sucht namentlich zwei anscheinend einander widersprechende Feststellungen der experimentellen Physik widerspruchsfrei zu machen. Die eine, das Ergebnis eines Versuchs von Fizeau, besagt, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichte in bewegten Gasen keinerlei Aenderung erleidet; die andere, durch Michelson gewonnen, dass man trotzdem keinen Unterschied in der Zeit der Fortpflanzung des Lichtes über zwei gleich lange Strecken beobachten könne, von denen die eine in die Richtung der Erdbewegung, die andere senkrecht dazu gelegt wird. Auf Grund des Fizeauschen Versuches und der üblichen Vorstellungen der Physik über den absoluten Raum und die absolute Bewegung hätte man erwarten sollen, dass der Michelsonsche Versuch Aufklärung über die absolute Bewegung der Erde im Weltenraume brächte. Er verriet aber trotz wiederholter sorgfältigster Ausführung nicht das Geringste darüber. Während nun gleichwohl Lorentz, der Schöpfer der Elektronentheorie, auf dem absolutistischen Standpunkte stehen blieb und

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Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie der Physik. , Berlin 1914, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Relativit%C3%A4tstheorie_der_Physik.djvu/8&oldid=- (Version vom 7.6.2024)
  1. Mach, Erkenntnis und Irrtum S. 331: „Der physiologische Raum im Gegensatz zum metrischen“.
  2. vgl. dazu Petzoldt, Die Gebiete der absoluten und der relativen Bewegung. Annal. d. Naturphilos, 1908, S. 29 ff.
  3. Höfler, Studien zur gegenwärtigen Philosophie der Mechanik. Leipzig 1900, S. 183.
  4. Petzoldt, a. a. O. S. 54 ff.