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gerecht werden können, wenn man sie in ihrer Stellung innerhalb des ganzen angedeuteten Gedankenkomplexes betrachtet[1]).

Es ist nicht nötig, hier auf noch erheblich weiterreichende Anschauungen Machs über den Raum einzugehen, in denen er diesen seines „hyperphysikalischen Charakters“ noch vollständiger entkleidet[2]), ja in denen er an eine Darstellung der Physik denkt, die die „räumlichen Beziehungen der Materien“ überhaupt ausschaltet[3]) und ein Analogon nur in der modernen deduktiven Geometrie haben dürfte, in der die Unabhängigkeit des logischen Zusammenhangs der geometrischen Sätze von der räumlichen Anschauung gezeigt wird[4]). Und noch weniger nötig ist es, die physiologischen Fundamentierungen zu zeigen, die Mach den Komplexen der Raum- und der Zeitempfindungen gibt[5]). Wohl steht das alles in einem grossen Zusammenhang und ist besonders von Bedeutung, weil es ein Versuch ist, die Physik von den Qualitäten der Sinne unabhängig zu machen; wir wollen uns hier aber auf die Untersuchung der physikalischen Relativitätstheorie beschränken.

6. Für Mach stand es nicht erst auf Grund mechanischer Untersuchungen fest, dass absolute Bewegung nur ein Begriff sei, dem nichts Erfahrbares entspreche, sondern schon — und noch weit mehr — auf Grund seiner sinnesphysiologischen und erkenntnistheoretischen Studien. Wer sich davon überzeugt hat, dass die Gestalten des Sehraums an die Farben unabtrennbar geknüpft sind, und wer anderseits die vollständige erkenntnistheoretische Gleichberechtigung des Tastsinns und des Gesichtssinns durchschaut, der weiss auch, dass der wirkliche Raum, der Raum der Erfahrung uns nur relative Bewegung zeigt und dass es keine Beobachtung und kein Mittel gibt, so wenig optischer oder elektromagnetischer wie mechanischer Art, das uns absolute Bewegung wahrnehmen lassen könnte. Eine andere Frage aber ist es, ob uns nicht physikalische Tatsachen zwingen oder wenigstens nahelegen könnten, beobachtete Vorgänge als Aeusserungen absoluter Bewegung zu denken, zu deuten; nämlich absoluter Bewegung in dem Raume, in dem wir jene physikalischen Tatsachen nach unseren physikalischen Theorien sich abspielen denken und der — was gut zu beachten und bei der ganzen Frage im Auge zu behalten ist — nicht der Raum der Erfahrung, sondern das Gedankending des Euklidischen Raumes ist, des gewöhnlichen Raumes unserer geometrischen Figuren, der von den allein

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Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie der Physik. , Berlin 1914, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Relativit%C3%A4tstheorie_der_Physik.djvu/7&oldid=- (Version vom 6.6.2024)
  1. vgl. Petzoldt Weltproblem a. a. O, S.199 ff. Auf Vorgänger relativistischer Denkweise wie Protagoras und Hobbes und auf die Relativisten der neuesten Philosophie wie Laas und Avenarius konnte hier nicht eingegangen werden.
  2. Mach, „Erkenntnis und Irrtum" 1905, S. 426 f.: „Zeit und Raum physikalisch betrachtet“.
  3. Mach, „Ueber die Entwicklung der Raumvorstellungen“. Fichtes Zeitschr. für Philos. 1866 und „Erhaltung der Arbeit“ 1872, S. 34 f. 56 f.
  4. Hilbert, Grundlagen der Geometrie. 4. Aufl, Leipzig 1918.
  5. Mach, „Analyse der Empfindungen“. 6. Auflage. Jena 1906. — „Erkenntnis und Irrtum.“ 2. Aufl. 1910.