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bis auf Grössen vierter und höherer Ordnung — um Sekunden zurückbleibt“.

Hieraus folgert er weiter, „dass dies Resultat auch dann noch gilt, wenn die Uhr in einer beliebigen polygonalen Linie sich von nach bewegt, und zwar auch denn, wenn die Punkte und zusammenfallen“.

Und daraus hat er dann an anderer Stelle wieder geschlossen, dass ein Organismus, der sich mit grosser Geschwindigkeit von seinen Altersgenossen entfernte und nach längerer Zeit zu ihnen zurückkehrte, erheblich weniger als diese gealtert sein würde. Dem haben sich namentlich Langevin und v. Laue angeschlossen[1]).

Sicherlich kann allein aus der Sonderbarkeit und dem Verblüffenden einer solchen Schlussfolgerung kein Einwand gegen sie erhoben werden, da eben Erfahrungen, denen sie widerstritte, nicht vorliegen. Die Frage ist also nur die, ob sie logisch unvermeidlich ist.

Zunächst muss ich einwenden, dass sie auch vom Standpunkte ihrer Vertreter unvollständig und irreführend ist. v. Laue — und ganz ähnlich Langevin — sagt: „Ein Lebewesen kehrt bei dem geschilderten Vorgang jünger zurück, als seine ehemaligen Altersgenossen“. Wenn das heissen sollte, dass sowohl es selbst wie seine ehemaligen Altersgenossen dieses Urteil über jenes Jüngersein fällen würden, so wäre das ein Irrtum und ein Rückfall in absolutistische Denkweise. Zwar würden seine früheren Altersgenossen den Zurückgekehrten für jünger halten als sich, aber genau so der letztere seinen ehemaligen Altersgenossen grössere Jugend zuerkennen als sich selbst — ganz entsprechend dem Fundamentalsatz der Relativitätstheorie, dass für jeden der beiden Beobachter die Uhren des anderen Systems nachgehen[2]).

So müssten, meine ich, jene Physiker von ihrem Standpunkte aus urteilen. Aber auch wenn sie das getan hätten, könnte ich eben den Standpunkt, den sie dieser Frage gegenüber einnehmen, nicht teilen, trotz der grössten Sympathie für ihre sonstigen Darlegungen, die ja wohl deutlich genug aus den vorliegenden Blättern spricht. Denn die wirkliche, lebendige Relativitätstheorie, wie sie in den Formeln der Lorentz-Transformation vorliegt, enthält nichts von einer „beliebigen polygonalen Linie“, die von den Systemen beschrieben würde, oder von einer Rückkehr zum Ausgangspunkt. Wer aus dem obigen Ausdruck Einsteins für die Grösse des Zurückbleibens der ‚bewegten‘ Uhr schliessen wollte, dass sich diese Grössen ununterbrochen addieren, dass

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Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie der Physik. , Berlin 1914, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Relativit%C3%A4tstheorie_der_Physik.djvu/50&oldid=- (Version vom 6.6.2024)
  1. Langevin, L’évolution de l’espace et du temps, a. a. O, S.48 f. v. Laue, Das Relativitätsprinzip. Frischeisen-Köhlers Jahrbücher der Philosophie 1, 1913, S. 114.
  2. Diesen letzteren Satz hält Gehrcke („Ueber den Sinn der absoluten Bewegung von Körpern“, a. a. O. S. 220 f.) in völligem Missverstehen der Grundlage der Relativitätstheorie für „logisch inkonsequent“, mit der Einsteinschen Zeitdefinition für unvereinbar.