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Gegenstandes — unter sonst gleichen Umständen — übereinstimmen, sondern den Eindruck machen würde, als rühre es von einem im Entfernungsradius kürzeren oder längeren Gegenstande her. Im Falle der Fortbewegung des Gegenstandes von Auge oder Platte würde nämlich der Lichtbeitrag von den am weitesten entfernten Punkten später, im Falle der Annäherung früher abgesandt worden sein als in der Ruhelage. Eine einfache Rechnung ergibt, dass — unter Berücksichtigung der Lorentz-kontraktion — ein Gegenstand von der hier nur in Frage kommenden physikalischen Länge , der also für den ‚mitbewegten‘ Beobachter die Länge hat, auf Grund des photographischen Momentbildes als von der bewegungsperspektivischen Länge

oder

beurteilt werden müsste, je nachdem sich der Gegenstand von Auge oder Platte entfernt oder sich ihnen nähert.

Nun darf es für die Relativitätstheorie keinen Unterschied machen, ob wir den Gegenstand als ‚bewegt‘, Auge oder Platte aber als ‚ruhend‘, oder umgekehrt die letzteren als ‚bewegt‘ und den Gegenstand als ‚ruhend‘ betrachten. Stellen wir uns aber auf den letzteren Standpunkt, also auf den des ‚mitbewegten‘ Beobachters und verfolgen im Geiste das von dem Gegenstande abgehende und auf die sich uns nähernde oder von uns entfernende Platte zueilende Licht, so dürften wir — sollte man meinen — behaupten, dass das der Platte eingeprägte Lichtbild genau so ausfallen müsste, wie wenn die Platte ‚ruhte‘, dass also keine bewegungs-perspektivische Gestaltänderung, wie wir sie oben für den ‚ruhenden‘ Beobachter und für die ‚ruhende‘ photographische Kamera abgeleitet haben, auftreten könne.

Wie ist dieser Widerspruch zu lösen?

Zunächst stellen wir fest, dass die ‚bewegte‘ Kamera dieselbe Rolle spielt wie der ‚bewegte‘ Beobachter; wir brauchen uns also nur an den letzteren zu halten. Dieser gehört aber nach der Voraussetzung der Relativitätstheorie einem anderen System an als der mit dem zu beobachtenden Gegenstand ‚ruhende‘ Beobachter. Würde nun der letztere von jenem ‚bewegten‘ Beobachter behaupten, dass er den Gegenstand genau so wahrnehme, wie wenn er ihm gegenüber nicht ‚bewegt‘ wäre, so würde er der von ihm anerkannten Voraussetzung der Relativitätstheorie widersprechen, dass die Körpergestalten für gegen einander bewegte Systeme verschieden sind: er müsste dann also auch behaupten, dass jener ‚bewegte‘ Beobachter den in der Richtung der relativen Bewegung gelegenen Schenkel des Michelsonschen Apparates nicht verkürzt erblicke. Somit bleibt ihm nur übrig zuzugestehen, dass für den ‚bewegten‘ Beobachter bewegungs-perspektivische Verlängerungen und Verkürzungen eines im ‚ruhenden‘ System

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Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie der Physik. , Berlin 1914, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Relativit%C3%A4tstheorie_der_Physik.djvu/47&oldid=- (Version vom 6.6.2024)