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Behälter, in denen die Vorgänge sich abspielen, wie sie es für die absolutistischen Theorien immer wären[1]).

Allerdings ist die Einstein-Minkowskische Theorie einstweilen nur auf dem Wege zu dieser völligen Aufhebung des früher prinzipiellen Unterschiedes zwischen den Raum-Zeit-Bestimmungen und den übrigen physikalischen Massbestimmungen. Denn sie stellt die räumlichen und zeitlichen Beziehungen der Vorgänge noch immer in einen Gegensatz zu den übrigen Relationen und lässt in gewisser Weise immer noch alles in Raum und Zeit, wenn eben auch in beliebig vielen Räumen und Zeiten geschehen. Nur zwischen den Raum- und den Zeit-Bestimmungen hat Minkowski — und mit vollem Recht — den prinzipiellen physikalischen Unterschied aufgehoben.

Einstein gibt einmal dem Relativitätsprinzip folgende Form: „Die Naturgesetze sind unabhängig vom Bewegungszustande des Bezugssystems, wenigstens falls letzterer ein beschleunigungsfreier ist“[2]). Dieser Satz hat einstweilen nur die Bedeutung eines Postulats. Die Relativitätstheorie fordert die Unabhängigkeit der Naturgesetze vom Zustande gleichförmiger Bewegung der Bezugssysteme zu einander und führt damit zur Aufhebung der festen Gestalt der Körper und der Uebereinstimmung des Uhrgangs in den verschiedenen relativ zu einander gleichförmig bewegten Systemen. Mit demselben Recht könnte man aber an der Uebereinstimmung der Gestalten und Uhren in relativ zu einander gleichförmig bewegten Systemen festhalten und dafür die ‚Naturgesetze‘ von System zu System variieren lassen oder auch an irgendwelche Kombinationen dieser Extreme denken. Experimentell entschieden ist darüber nichts. Vielleicht würde ein mit der Erdbahn fest verbundener Beobachter an einem auf der vorübereilenden Erde aufgestellten Michelsonschen Apparat eine Verschiebung des Interferenzenzstreifensystems beobachten? Mag sein, dass das nicht wahrscheinlich ist, aber so lange solche Dinge nicht entschieden sind, steht ein Satz wie der eben angeführte Einsteinsche gewissermassen noch auf der Stufe der naiven Annahme, nicht auf der der Annahme nach kritischer Prüfung.

Den Begriff des Naturgesetzes definiert Einstein nicht. Indessen wäre es wohl in seinem Sinne zu sagen: die vom Bewegungszustande des Bezugssystems unabhängigen Zusammenhänge heissen Naturgesetze. Dann könnte man aber auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit gleichem, wenn nicht mit besserem Rechte die Invarianz der Gestalt und des Uhrgangs als ‚Naturgesetz‘ in Anspruch nehmen und dafür die bisherigen

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Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie der Physik. , Berlin 1914, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Relativit%C3%A4tstheorie_der_Physik.djvu/40&oldid=- (Version vom 9.6.2024)
  1. vgl. Petzoldt, Die Relativitätstheorie im erkenntnistheoretischen Zusammenhange des relativistischen Positivismus. Verhdlgn. der Deutsch. Physikal. Ges. 14, 1912, S. 1060.
  2. Einstein, Jahrb. d. Radioaktiv. u. Elektronik, 4, 1907, S. 416.