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Wohnungen niedergebrannt hätten, wobei er selbst nur noch durch ein Wunder dem Tod entgangen wäre. –

Den tief beschatteten Foxriver hinab steuerte indessen ein einsamer Krieger der Winnebagoes sein leichtes Canoe, während vorn, zwischen den Rippen, die dem schwachen Fahrzeug Festigkeit gaben, in seine wollene Decke eingehüllt, der starre Körper des alten Indianers lag. Der junge Häuptling aber sang leise, indeß sein Ruder still und geräuschlos die leichte Barke über die spiegelglatte Fläche trieb, und den Takt schlug zu dem wehmüthig monotonen Lied:

„Früher warst Du ein Häuptling –
Der Wald hier, gehörte Dein,
Jetzt führe ich Dich leise und heimlich
Hinunter den stillen Strom –
Und früher warst Du ein Häuptling.“

„Früher warst Du ein Häuptling,
Die Erde gehörte Dein,
Jetzt mußt’ ich Dich daraus stehlen,
Sie gönnten Dir selbst kein Grab –
Und früher warst Du ein Häuptling.“

„Früher warst Du ein Häuptling
Und zähltest der Krieger viel,
Jetzt flüchtet mit Deiner Leiche
Dein einziger Sohn – allein –
Und früher warst Du ein Häuptling. –“

Weiter und weiter glitt der Rindenkahn auf dem leise murmelnden Fluß hin – weiter hinab, zwischen Weiden und Erlen, und den schwankenden silberbehangenen Birken; und der Whippoor-will sang in den Sträuchen sein wehmüthig-klagend Lied, und der Nachtfalke stieg kreischend empor von dem knorrigen Ast, auf dem er geruht. – Der Tag dämmerte und das lockere Mahl wollte er sich noch suchen vor der Morgenröthe. Auch die Eule wurde wieder lebendig und ihr antwortete – weit weit aus der fernen Prairie herüber – der graue Wolf, der seinen Rundlauf beendet und jetzt zu dem heimlichen Versteck mit unhörbarem Tritt zurückschlich. – Und dort – dicht hin unter den thaubehangenen Zweigen, die sich tief hinabbeugten zu der klaren Fluth, und von ihr erfaßt, unruhig erzitterten und bebten, – dicht hin unter dem feierlichen Rauschen der jungfräulichen Eichen, in denen der Morgenwind seine Riesenakkorde griff – glitt das Canoe des Indianers und sein Todtensang mischte sich mit dem fröhlichen Lebensgruß des jungen Tages.

Fr. Gerstäcker.
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Friedrich Gerstäcker: Die Leichenräuber. Braun & Schneider, München 1846, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leichenr%C3%A4uber-Gerstaecker-1846.djvu/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)