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Das soeben erwähnte Herabsinken des Jahresumsatzes um mehr als die Hälfte findet seine Begründung größtenteils in unseren zollpolitischen Zuständen; das Geschäft mit Österreich und Rußland ist ganz unmöglich gemacht. Aber auch der Export nach Italien und Schweden wird durch dort neu erstehende Fabriken sehr erschwert, und auf die Handelsbeziehungen zu Japan und Südamerika hat die Silberkrisis schädigend gewirkt. So ist denn das einstige große Absatz­Gebiet, das außer obigen Ländern noch Deutschland, Belgien und Nordamerika umfaßte, mehr und mehr beschränkt worden. Im Jahre 1875 wurde in Lodz unter gleicher Firma eine Filiale begründet, da die Einfuhr von Konkurrenzartikeln in Rußland zur Unmöglichkeit wurde und in Lodz selbst Konkurrenzfirmen entstanden waren. Indes diese Lodzer Filiale schied 1892 aus und bildet seitdem eine selbständige Firma; mit ihr entging dem Geschäft ein wesentlicher Teil des früheren Jahresumsatzes. Eine weitere Filiale wurde 1882 in Bodenbach in Österreich ins Leben gerufen, entwickelte sich jedoch nicht und wurde 1890 aufgelöst.

Trotz der schweren Schädigung, welche die allgemeine wirtschaftliche und zollpolitische Lage verursachte, gehört das Etablissement der Firma Schmidt & Pfitze dennoch auch heute noch zu den bedeutendsten seiner Branche. Es beschäftigt ca. 150 Arbeiter, wozu noch 100 Handweber in Zschopau kommen. An Maschinenmaterial sind vorhanden 3 Gasmotoren, 1 Dampf-­Maschine und 24 mechanische Webstühle, von denen 16 in Leubsdorf untergebracht sind. Mit Leubsdorf und Zschopau ist das Hauptkontor durch private Telephonleitung verbunden. Das jetzige Geschäftshaus wurde 1863 erbaut und später noch mehrfach durch Anbauten vergrößert. Ganz besondere Anerkennung verdienen auch die arbeiterfreundlichen Institutionen der Firma. Außer einer Fabrikkrankenkasse mit 3000 Mark Stiftungsfonds für das eigene Etablissement, riefen die Herren Schmidt & Pfitze mit einem Fonds von 5000 Mark eine Alters-­Rentenbank der Weberinnung ins Leben, der nachmals durch Herrn Schmidt weitere 5000 Mark und seitens des Herrn Pfitzner 15 000 Mark zugewandt wurden. Hieran reihen sich noch verschiedene Nebenstiftungen, deren Zinsen bereits gezahlt, aber noch privat verwaltet werden.

Nachdem am 8. März 1880 Herr F. H. Schmidt – dem Se. Majestät der König für seine mannigfachen Verdienste den Albrechtsorden I. Klasse verliehen hatte, verstorben war, wurde Herr G. Pfitzner alleiniger Inhaber der Firma. Auch seine Thätigkeit wurde vom Landesfürsten durch Verleihung des Kommerzienratstitels ausgezeichnet, wie denn auch sowohl König Johann (1871) als auch König Albert (1878) das Etablissement mit ihrem Besuche beehrten. Der voraussichtliche Nachfolger des jetzigen Chefs im Besitze der Firma ist dessen Schwiegersohn, Herr Rudolph Berg, dem schon jetzt Prokura erteilt worden ist.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/358&oldid=- (Version vom 2.4.2020)