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Schmidt & Pfitze, Frankenberg
Webwarenfabrik.

Von jeher nahm die Textilindustrie in dem gewerblichen Leben Sachsens den ersten Rang ein. Schon in den ältesten Angaben über Gewerbestatistik (den Gewerbe- und Steuer-Katastern der Jahre 1836 und 1837) überwiegt die Zahl der Betriebe dieser Branche die aller anderen. Als dann später die industrielle Glanzperiode Sachsens eintrat, in der unser Land sich mit rapider Schnelligkeit zu einem der ersten Industriestaaten entwickelte, entfaltete sich auch die Textilindustrie im Verhältnis zu ihrer bisherigen Bedeutung. Die Zahl der Feinspindeln und Selfaktors wuchs binnen 14 Jahren (1861 – 1875) von 137 298 auf 681 911, so daß die Textil-­Industrie 1875 mit 83 367 Haupt- und 640 Nebenbetrieben wiederum an der Spitze marschierte. Seitdem ist ihre Entwicklung stetig und regelmäßig fortgeschritten, wobei die Weberei sich zur dominierenden Branche emporschwang. Ihre Betriebe allein machen etwas über 46% der gesamten sächsischen Textilanlagen aus und absorbieren dementsprechend 41% aller in der Textilbranche beschäftigten Arbeiter.

Die Firma Schmidt & Pfitze, eine der ältesten Vertreterinnen der Textilbranche, hat alle die soeben angedeuteten Entwicklungsphasen mit durchgemacht. Im Jahre 1849 von Herrn Friedrich Hermann Schmidt in Frankenberg als Webwarengeschäft gegründet, konnte sie schon auf mehr denn ein Jahrzehnt erfolgreicher Thätigkeit zurückblicken, als jene Blüteperiode begann. Bis 1858 hatte der Begründer die Geschäfte allein geführt; im Mai jenes Jahres trat dann Herr Gustav Eduard Pfitze (welcher nachmals diesen seinen Familiennamen in Pfitzner umänderte) als Compagnon ein, wodurch die Firma einen sehr schätzbaren Zuwachs an Arbeitskraft wie an Kapital erhielt. Seitdem firmiert das Haus:„Schmidt & Pfitze“. Seine Fabrikationsmethode wie Fabrikate haben mehrfach gewechselt. Nachdem lange Zeit Kleiderstoffe und Herrenhalstücher einen lukrativen Artikel gebildet, ging die Firma 1863 ganz zur Tücherbranche über, die mannigfachen Veränderungen unterworfen war; unter anderem fanden in den siebziger Jahren halbseidene Cachenez neben gedruckten Tüchern großen Beifall und Absatz. Zu dieser Zeit betrug auch der Jahresumsatz mehr denn 2 Millionen, während er jetzt auf ⅔–¾ Millionen herabgesunken ist. Gegenwärtig werden seidene und halbseidene, wollene und halbwollene Tücher von 44–160 □cm in den verschiedensten Mustern und Qualitäten erzeugt, zu deren Herstellung Orgausine, Trame, Chappeseide, Kammgarn, englischer Zwirn und verschiedene Ziergarne als Rohmaterialien dienen. Die Fabrikate der Firma Schmidt & Pfitze wurden in Chemnitz (1867) und Moskau (1882) durch bronzene Medaillen ausgezeichnet, andere Ausstellungen sind nicht beschickt worden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/357&oldid=- (Version vom 2.4.2020)