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Carl Schmelzer sen., Werdau
Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei.

Werdau ist eine der ältesten Städte Sachsens, aber es zeichnet sich vor seinen Altersgenossinnen dadurch aus, daß es in industrieller Hinsicht trotz alledem durchaus modern ist. Andere sächsische Städte von der gleichen ehrwürdigen Vergangenheit sind greisenhaft geworden und zurückgeblieben. Abseits gelegen von den großen Etappenstraßen des Welthandels und der Industrie, sind sie von jüngeren, frischaufstrebenden Gemeinwesen überflügelt worden. Werdau dagegen ist mit dem Strome der Zeit fortgeschritten und wer es heute sieht mit seinen weit über hundert rauchenden Fabrikschlöten, seinen großen Etablissements, in denen die Dampf­-Maschinen keuchen und die Räder sausen, der erkennt, daß es noch lange nicht am Endpunkte seiner Entwicklung angelangt ist. –

Die industrielle Bedeutung einer Stadt wird durch die Firmen geschaffen, die in ihr seßhaft sind, und eine derjenigen, die schon länger denn ein halbes Jahrhundert dazu beigetragen haben, Werdau zu einer industriellen Zentrale im gewerbfleißigen Sachsen zu machen, ist die Firma Carl Schmelzer sen., der die nachfolgenden Zeilen gewidmet sind.

Die heutige Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei von Carl Schmelzer sen. wurde 1837 von – später mit dem Ehrenkreuz des Verdienstordens ausgezeichneten – Herrn Carl Gottlieb Schmelzer begründet. Das junge Etablissement, das auf sehr bescheidener Basis ins Leben gerufen wurde, begann seine Thätigkeit als Handkämmerei und Spinnerei. In der ersten Zeit besaß es noch den primitiven Göpelbetrieb durch Pferde. In den vierziger Jahren wurde sodann die Pferdekraft durch Dampf ersetzt und von da an datiert sich eine Epoche blühendster Entwicklung, die noch heute nicht ihren Abschluß gefunden hat. Die Fabrik, welche einst über nach unseren heutigen Begriffen so beschränktes Betriebsmaterial verfügte, besitzt gegenwärtig allein eine Dampfkraftanlage, die 500 Pferdekräfte repräsentiert.

Die Firma Carl Schmelzer sen. befindet sich noch immer im Besitze der Familie des Begründers. Sie ging von dem letzteren 1862 auf dessen Sohn, Herrn Carl Hermann Schmelzer über, und nach dessen im Jahre 1888 erfolgten Tode auf die Erben Frau Marie verw. Schmelzer, deren Söhne, die Herren Otto, Carl und Paul Schmelzer, sowie dem einstigen langjährigen Prokuristen, Herrn Bruno Schmelzer.

Die Nachfolger traten in die Fußtapfen des Begründers und es gelang ihnen, ausgestattet mit der gleichen Energie, mit derselben Sachkenntnis und mit demselben weitschauenden Kaufmannsblick, die Firma einer glänzenden Entwicklung entgegenzuführen. Die Fortschritte, welche das

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Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/344&oldid=- (Version vom 2.4.2020)