Seite:Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild Teil 2.pdf/205

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Eduard Keffel, Tannenbergsthal
bei Jägersgrün, Vogtl.
Mechanische Weberei, Ledertuch- und Papierlackierfabriken.

Sachsen ist mit dem Elsaß bekanntlich der Hauptvertreter der deutschen Baumwollen­-Industrie. Es war eines der ersten deutschen Länder, das den Erfindungsgeist und die gewerbliche Energie der Engländer sich zu nutze machte, englische Maschinen und englische Meister herüberbrachte und sich in kurzer Zeit eine blühende Textilindustrie schuf, welche Wohlstand und Leben in eine Anzahl ärmlicher Distrikte brachte. Dieser industrielle Aufschwung begann in seinen ersten Anfängen unter den Wirkungen der Kontinentalsperre und setzte sich fort bis in die erste Hälfte unseres Jahrhunderts.

Eine der ältesten mechanischen Baumwoll-Webereien Sachsens und notorisch die älteste des Vogtlandes, die Begründerin dieser für jenes Bergland überaus segenbringenden Industrie, ist die im Besitze obiger Firma befindliche. Vom Vater des jetzigen Besitzers, dem jetzt in Kalifornien lebenden Herrn Fr. Ed. Keffel 1854 erbaut, wurde die Fabrik im Jahre 1855 nach erhaltenem Konsens in Betrieb gesetzt. Die heute damit verbundene Ledertuchfabrik wurde erst im Jahre 1879 ins Leben gerufen, ist aber ebenfalls das erste derartige Etablissement des sächsischen Vogtlandes. Bescheiden und schwierig waren die Verhältnisse, unter denen Fr. Ed. Keffel sein Unternehmen begann. Die Bevölkerung blickte argwöhnisch und mit Mißtrauen auf das Neue; die Ingenieure und Techniker zum Aufstellen der Maschinen mußten mit großen Kosten aus England, die Weber und Meister aus Augsburg verschrieben werden. Erst nach und nach konnte man einheimische Arbeitskräfte heranziehen und anlernen. Weitere Schwierigkeiten bestanden noch darin, daß in damaliger Zeit die Frachtgüter bis Reichenbach, im Kriegsjahre 1866 sogar bis Hamburg per Axe befördert werden mußten. Auch ein elementares Ereignis schuf vorübergehend eine mißliche Lage: die Ledertuch-Fabrik wurde mitten in vollem Geschäftsbetriebe das Opfer einer Feuersbrunst, die durch die explosiblen Materialien hervorgerufen wurde.

Indes, der heutige Stand des Unternehmens zeigt, daß auch unter schwierigen Anfängen Großes und Tüchtiges hervorwachsen kann. Die Firma Eduard Keffel, welche infolge ihrer strengen Reellität allerseits das größte Vertrauen genießt, nimmt in ihrer Branche zur Zeit mit den ersten Rang ein. Sie ist mit den neuesten technischen Hilfsmitteln ausgerüstet und beschäftigt zur Zeit nicht weniger wie 200 Arbeiter; ihre Maschinen – 150 Webstühle, sowie 8 Gauffrier- und 3 Glätte­-Kalander – werden durch eine Wasserkraft von 45 Pferdekräften, sowie von drei Dampfmaschinen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/205&oldid=- (Version vom 4.8.2020)