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Chemnitzer chemische Wäscherei und Färberei
Theodor Wilisch in Chemnitz.

Chemnitz, das sächsische Manchester, ist die Stadt der self-made men. Da erzählt die Fama von dem Einen, daß er anfänglich sein ganzes Warenlager auf dem Schubkarren in die Stadt gebracht und feil gehalten habe, bis er zuletzt als König eines ganzen Arbeiterstaates sein Werk vollendete. Da finden wir eine ganze Anzahl Firmen, die jetzt Hunderte von Angestellten beschäftigen und deren Ursprung lediglich zwei arbeitstüchtige Hände und ein klarer Kopf waren. Da finden wir gewaltige Werkstätten, weit ausgedehnte Fabrikanlagen, weltbekannte Etablissements – an derselben Stelle, wo vor einem halben oder viertel Jahrhundert noch das bescheidene Haus des Bürgers und ehrsamen Meisters stand, welcher später der Begründer einer Großfirma werden sollte. –

Wer heute das imposante Gebäude der chemischen Färberei und Wäscherei von Theodor Wilisch betrachtet, will es schwerlich glauben, daß der Begründer dieser Anstalt, der am 1. April 1857 sein Geschäft eröffnete, in einem kleinen, niedrigen Hause nur mit seiner Hände Arbeit begann und, anfangs notgedrungen, später voller Eifer für das Emporwachsen der Firma, in eigener Person noch am Farbbottich stand, wie ein gewöhnlicher Arbeiter. Unter solchen Vorbedingungen war es vorauszusehen, daß das Etablissement sich heben würde, bis es in die Reihe der Großbetriebe eintrat.

So kommt es, daß die Firma Theodor Wilisch, trotz zweimaligen Fabrikbrandes, gegenwärtig mit Dampf- und elektrischem Betrieb arbeitet und gegen 60 Leute beschäftigt.

Ihr Absatzgebiet erstreckt sich über Sachsen und die umliegenden Bundesstaaten; sogar in Dänemark hat sie sich ein ergiebiges Terrain erobert. Die Firma unterhält 5 eigene Geschäftslokalitäten in Chemnitz, Leipzig und Altenburg; außerdem 32 Filialen.

Der jährliche Umsatz beläuft sich auf eine Viertel-Million Mark.

Neben der Färberei und chemischen Wäscherei von Herren-, Damen- und Kinder-Garderobe, sowie von Wolle, Baumwolle und Seide, betreibt die Firma als Spezialität die chemische Reinigung von neuen Strumpfwaren, von Handschuhen und besonders von mit Oel befleckten Trikotstoffen.

Der gegenwärtige Inhaber der Firma ist Herr Hermann Wilisch, welcher nach dem Tode des Begründers dieselbe übernahm und an Stelle des Stammhauses das nunmehrige stattliche Wohn- und Fabrikgebäude aufführen ließ. –

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/66&oldid=- (Version vom 23.2.2020)