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Instrumente von Künstlerhand und vor Künstlern gespielt in mancher Matinée erklungen sind. Fast alle musikalischen Größen haben sich hier schon eingefunden, um den Tönen der klangvollen Aliquotinstrumente zu lauschen und sich und ihre Hörer damit zu erfreuen.

Blüthner hatte in Bezug auf das Arrangement der Saiten eine neue Erfindung gemacht und nannte die damit versehenen Instrumente Aliquot-Pianos resp. Flügel. In elf Staaten wurde ihm diese Erfindung bis zum Jahre 1891 patentiert.

Wie groß der Umfang der Fabriken ist, erhellt aus dem Umstand, daß sich jetzt 130 Arbeitssäle darin befinden, in welchen 500 Arbeiter beschäftigt werden, ganz abgesehen von den zahlreichen und mächtigen Hilfsmaschinen, die ihrerseits Arbeitskräfte von 4–500 Mann ersetzen. Die Größe des ganzen Blüthner’schen Besitzthums beträgt 78,508 Quadratellen. Wenn wir die verschiedenen Höfe durchwandern, so finden wir große Massen von Stämmen aller Holzarten aufgestapelt. Sie müssen hier „wetterfest“ werden, dann kommen sie in Trockenräume von 40 Grad Wärme. Erst nach diesen verschiedenen Manipulationen ist das Holz für seinen Zweck geeignet und wird nun in dem Sägewerke zu Brettern geschnitten. Fünf große Fahrstühle, mit Dampfkraft getrieben, dienen zur Beförderung des Materials in die verschiedenen Stockwerke der Fabriken. Hobelmaschinen glätten das Holz für Deckel und Wände der Instrumente. In den Drechslersälen werden die gedrehten Füße hergestellt und die Kunsttischlerei liefert Pedale und schöngeschnitzte Notenpulte. Die geschultesten Arbeiter sind die in den Sälen, wo die Resonanzböden hergestellt werden, da zur Behandlung derselben Talent und Erfahrung gehören. Von den Resonanzböden hängt ja der ganze innere Wert des Instrumentes ab. In einer anderen Werkstatt fertigt man die Holzunterlagen für die Elfenbeintasten. Weiterhin werden Stimmstöcke bearbeitet und mit einer sinnreich konstruierten Maschine im Augenblick die Stimmwirbellöcher gebohrt. In der Schmiede- und Schlosserwerkstatt erfolgt hauptsächlich die Herstellung der Eisenrahmen, sowie Stifte für Saitenbefestigung und Stimmnägel. Eine andere wichtige Abteilung ist die für die Anfertigung der Mechaniken und Hammerköpfe-Garnituren. Hier revidiert, trotzdem Blüthner seine zwei ältesten Söhne. – selbst tüchtige Meister – seine Brüder und 18 Werkführer zur Seite stehen, der Chef oft persönlich die Fabrikation, denn die Elastizität des Hammers, der in Folge des Anschlags der Tasten die Saiten trifft, ist eines der größten Haupterfordernisse. Hier werden auch die zur Bekleidung des Mechanismus benötigten Filze gepreßt und die Hämmer mit Leder überzogen.

Endlich kommen wir zur Saitenspinnerei, wo Stahl- und Kupferdrähte zu Saiten zu verspinnen sind und auch hier ist die größte Sorgfalt nötig, um die feinste Modulation zu erhalten. Den Schluß bildet die Politur der Instrumente; diese wird im Ueberpoliersaal hergestellt. Klaviere, die zum Export bestimmt sind, namentlich nach überseeischen Ländern, erhalten einen Ueberzug von haltbarstem Lack und ist der überseeische Transport Blüthner’scher Fabrikate ein sehr bedeutender. Zu erwähnen wäre noch, daß in allen Arbeitsräumen gegenüber der großen Feuergefährlichkeit des Materials vortreffliche Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, sodaß ein ausbrechender Brand sofort erstickt werden kann. Ebenso sind überall die besten Schutzvorrichtungen für die Arbeiter an den zahlreichen und mit gewaltiger Kraft arbeitenden Maschinen angebracht.

Die Geschichte der Firma Julius Blüthner entrollt uns ein Bild deutschen Geistes und deutschen Fleißes, welches im Vorstehenden zur Nachahmung wiedergegeben sein soll! –

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/44&oldid=- (Version vom 23.2.2020)