Seite:Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild Teil 1.pdf/417

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die seiner Zeit aus England importierten Gardinen hat die Firma ebenfalls in Sachsen zuerst gebleicht und appretiert und erfand später Otto Wolff für gute schwere Qualitäten derselben den Relief-Appret, welcher noch heute wegen seiner ganz vorzüglichen Eigenschaften bei der Kundschaft in hohem Ansehen steht und ausschließlich verlangt wird. Bei dem Relief-Appret wird nur die linke Seite der Gardinen mit Appret getränkt; dies bewirkt nun, daß das reiche Broché der rechten Seite reliefartig in die Höhe steigt und ein glattes, sammetartiges reicheres Aussehen erlangt.

Im Jahre 1885 unternahm die Firma noch einen sehr bedeutenden Erweiterungsbau, speciell für die Appretur der nunmehr im Sachsenlande selbst fabrizierten englischen Gardninen und führte gleichzeitig im ganzen Etablissement mit großem Erfolg die: „Vacuumbleiche“ ein. Diese Letztere besteht darin, daß das Chloren und Säuren der Waren in besonderen Apparaten ausgeführt wird, in welchen vorher vermittelst Luftpumpen eine starke Luftleere erzeugt wurde. Hierdurch erzielt die Firma ein noch besseres „Weiß“ und der ganze Bleichprozeß geht nicht nur sicherer und rascher vor sich, sondern die Ware selbst leidet dabei auch viel weniger. Außer den genannten Artikeln richtete sich die Firma noch für die Färberei und Appretur der ebenfalls in Sachsen auf englischen Stühlen gewebten wollenen und halbwollenen Spitzen und Kleidertülle mit vorzüglichem Erfolg ein.

Am 20. März 1887 erlitt die Firma einen großen schmerzlichen Verlust, indem ihr Mitbegründer Carl Hermann Wolff verstarb. Derselbe besaß seltene angeborene Gaben, war jederzeit unermüdlich aufopfernd thätig und leitete besonders den maschinellen Teil des Etablissements fast allein.

Seitdem ist Carl Otto Wolff alleiniger Besitzer und Leiter des Etablissements.

Die Firma beschäftigt gegenwärtig 325 Arbeiter, 7 Comptoiristen und 2 Färbermeister. Sie besitzt zwei Dampfmaschinen von 50 und 130 Pferdekräften sowie 6 Dampfkessel, worunter 2 große combinierte Kessel sich befinden. Das Licht spendet eine große elektrische Anlage der Edison-Gesellschaft. Außer bei der staatlichen Unfall-Versicherungs-Berufsgenossenschaft sind die Arbeiter noch bei der eigenen, durch die Besitzer begründeten Fabrikkrankenkasse gegen die materiellen Folgen von Unfällen und Krankheiten gedeckt.

Das Grundprinzip der Firma ist bis zum heutigen Tage stets gewesen, alle ihr anvertrauten Waren nicht nur so gut und so schön, wie nur möglich herzustellen, sondern sie war auch immer bestrebt, Neues und noch Besseres zu schaffen und auf den Markt zu bringen und hierfür hat sie weder Kosten noch Mühen gescheut und durch die strikte Durchführung dieses Prinzipes sich ihren wohlverdienten, weit über die Grenzen des Sachsenlandes hinausreichenden guten Namen und Ruf erworben. Es ist eine Thatsache, daß das rasche Aufblühen der Stadt Plauen in der Hauptsache dem unermüdlichen Fortschreiten der dortigen, selbst im Auslande hochgeachteten und in wohlverdientem Rufe stehenden Bleicherei- und Appretur-Etablissements, sowie der Einführung der Stickmaschine zuzuschreiben ist. Diese beiden wichtigsten Factoren haben den Ruf Plauens als bedeutende Industrie-Stadt begründet, wozu auch in neuerer Geschäftsperiode noch die Einführung der mechanischen, englischen Gardinen-Webstühle zu rechnen ist. –

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/417&oldid=- (Version vom 23.2.2020)