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würden es die Erläuterungen von Gervinus und Anderen bewirken. Hierdurch aber fühle ich mich gemahnt, dass ich auf der Hut sein muss, bei den Bemerkungen über die Bilder meiner Galerie nicht in denselben Fehler zu verfallen.

Das nächste der Werke Böcklins, das ich erwarb, ist von vorzüglich genialer Erfindung. Es stellt eine vom wildesten Sturme durchwühlte, düstere Landschaft vor. In den Wipfeln der Bäume tobt der Orkan, als ob er sie entwurzeln wollte. Vorn erblickt man, am Boden liegend, einen noch blutenden Leichnam, und neben ihm den Mörder, der eben die That vollbracht hat. Vor ihm stehen drei grausenhafte Gestalten, die Furien des Gewissens, die ihn verfolgen werden. Diese drei Weiber, die an die Hexen in Macbeth erinnern können, erregen ein unheimliches Grausen, das sich der Seele mit Gewalt bemeistert, und konnten nur von einer mächtigen Phantasie geschaffen werden; das Karrikaturartige, das namentlich die vorderste hat, vermehrt noch das Entsetzen. Es ist gewiss nicht die Aufgabe der Kunst, Schrecken hervorzurufen, wie eine Gespenstergeschichte; aber der Schrecken wird hier durch grossartige Auffassung geadelt, und macht auf uns den gewaltigen Eindruck einer tragischen Scene. – Einen finstern Charakter trägt auch die Felsenschlucht, welche nach Goethes Versen: „Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg, in Höhlen wohnt der Drachen alte Brut“ entworfen ist. Die Lokalität gemahnt an den Gotthardpass, und die über den Strom führende Brücke an die Teufelsbrücke. Reisende, die eben des Weges dahinziehen, stürzen in wilder Flucht davon, weil gerade ein Drache, ein scheussliches Ungetüm, seinen langen Hals aus der Höhle hervorstreckt und auf sie herabzuschiessen im Begriff ist. Die Ausführung scheint mir meisterhaft bis in die kleinsten Einzelheiten zu sein. Welche wunderbare Wirkung macht der dichte Wasserstaub, der, aus den Wirbeln des schäumenden Flusses hervorgestiegen, wie eine Wolke in der Höhe der Schlucht schwebt!

Freundlicheres Gepräge haben einige andere Gemälde Böcklins. Auf einem kleinen von idyllischem Anstrich sitzt eine Hirtin am Rande eines waldigen Hügels und blickt sinnend in das Weite. – Von einem zweiten lässt sich, wie von manchen Bildern Giorgiones, eigentlich nicht sagen, was es vorstelle. Es genügt, dass es einen poetischen Eindruck macht, uns wie eine Landschaft erscheint, die wir in einem schönen Traume gesehen. Lustige Gruppen, sich an Musik ergötzend, ruhen im Grase. Man erblickt Engelchen oder Amoretten, die auf der Wiese spielen, und weiterhin einen Pavillon, auch einige Männer in orientalischer Tracht. Ueber die Farbe dieses kleinen Juwels, die äusserst reizvoll ist, habe ich oft hören müssen, sie sei übertrieben, unnatürlich; aber sie passt vollkommen zu dem märchenhaften Charakter des Ganzen. Böcklin hat in dieser Hinsicht noch viel Stärkeres, und bisweilen wohl auch allzuviel gewagt, z. B. in seinen, in der Nationalgalerie zu Berlin befindlichen „Elysäischen Feldern“; aber Denen, welche deshalb unbarmherzig über ihn herfallen, muss man doch entgegenhalten, dass er auch hier, selbst in seiner Verirrung, als Kolorist eine Genialität gezeigt hat, um die ihn viele andere Maler beneiden könnten. Auch will ich noch hervorheben, wie man in südlichen Gegenden, in denen Böcklin so heimisch ist, oft Beleuchtungen und Färbungen von so überschwänglichem Glanze gewahrt, dass kein Pinsel sie wiederzugeben vermag, und dass, wenn er es vermöchte, jene Farbeneffekte für unnatürlich gelten würden.

Man kann wohl nicht leugnen, dass Böcklin nicht immer gleich glücklich in seinen Gemälden gewesen ist, und dass er besonders deshalb noch nicht den verdienten hohen Ruhm erlangt hat, weil gerade seine minder gelungenen Bilder durch ihre Aufnahme in Museen am bekanntesten geworden sind. Hierher möchte ich besonders die im Museum von Basel befindliche „Jagd der Diana“, sowie die „Pietà“ und die eben dort gemalten mythologischen Fresken rechnen. Auch ich kam in Gefahr, den Künstler in einer für ihn selbst nachteiligen Weise bei mir vertreten zu sehen. Ich hatte nach einer schönen Farbenskizze eine Quelle des Frühlings bei ihm bestellt, eine lenzgrüne Landschaft, in welcher eine Nymphe die Quelle ausgiesst und ein paar Faune sich an dem sprudelnden Wasser berauschen. Dieses Werk schien mir, wie ich dem trefflichen Meister nicht verhehlte, in der Ausführung so sehr missraten, dass ich es in seinem eigenen Interesse nicht aufzuhängen wagte, in welchem Entschlusse mich seine Freunde und Bewunderer bestärkten. Er bewährte sich als echter Künstler, indem er mir mein unumwunden ausgesprochenes Urteil nicht verübelte, vielmehr es bald selbst als richtig erkannte und ein anderes Gemälde, statt des verunglückten, für mich begann. Dies war der Gang nach Emaus, eine Landschaft, die sich seinen besten anreiht, aber ihn vielleicht minder als andere in seiner Besonderheit zeigt, indem sie, und durchaus nicht zu ihrem Nachteil, an Poussin erinnert. Es ruht über ihr, wie über so manchen des grossen Franzosen, der volle Zauber italienischer Gebirgsgegenden, der wundervollen Thäler und Höhen der Sabiner- und Latinerberge, in denen unser Künstler durch seinen langen Aufenthalt in Rom so viel geweilt hat. Eine höchst seltene, nur dem eminenten Talente verliehene Gabe besitzt er darin, dass er die Eindrücke der verschiedensten, oft vor vielen Jahren gesehenen Gegenden lebendig genug in seiner Phantasie bewahrt hat, um sie allein aus der Erinnerung