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Inhalt.
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Vom Weihnachtsbüchertisch.

I. Für die Jugend. Unter den Büchern, die der Jugend am Christabend beschert werden, erfreuen sich seit langer Zeit die sogenannten Jahrbücher einer großen Beliebtheit. Ihr Inhalt ist nicht einseitig, sondern möglichst mannigfaltig gestaltet; sie bringen Erzählungen, Bilder aus der Geschichte und dem Leben hervorragender Männer und Frauen, führen die jungen Leser und Leserinnen hinaus in die Natur und machen sie vertraut mit dem Leben der Pflanzen und Tiere, sorgen auch für Auskunft über allerlei nützliche Beschäftigungen und schenken zuletzt dem Scherz und Spiel die gebührende Beachtung. Dank dieser Zusammenstellung befriedigen die Jahrbücher die verschiedenartigsten Wünsche und Lesebedürfnisse der jungen Welt und bleiben in kinderreichen Familien ein wertvoller Bestand der Hausbibliothek, aus dem in späteren Jahren der jüngere Nachwuchs Unterhaltung und Belehrung schöpft.

Als ein derartiges treffliches Buch ist seit mehr als zwei Jahrzehnten „Der Jugendgarten“ (Union, Stuttgart) anerkannt. Heuer erscheint von ihm der 23. Band, der mit etwa 200 ein- und mehrfarbigen Illustrationen geschmückt ist. Er ist als Festgabe für Mädchen bestimmt und bietet eine Fülle ansprechender Erzählungen von L. v. Vietinghoff, Frida Schlicht, Marianne Frieder, Fanny Römer, A. v. Dorf, Käthe Treller, Luise Glaß u a. Dazwischen sind Gedichte, biographische und populärwissenschaftliche Skizzen eingestreut. Sehr reichhaltig ist in diesem Jahrgang die Rubrik der weiblichen Handarbeiten und der Winke für allerlei Dilettantenkünste gestaltet; daneben werden Anregungen für Sport und Spiel, für Haustheater, für Sammlerinnen und zuletzt hübsche Anleitungen zur Unterhaltung der Allerkleinsten geboten.

Ein ähnliches Jahrbuch für Mädchen ist „Das Kränzchen“, das gleichfalls in dem obengenannten Verlage erscheint. Für diese Weihnachten liegt uns die zehnte Folge vor. „Das Kränzchen“ ist eine weit verbreitete und beliebte, reich illustrierte Wochenschrift für junge Mädchen. Aus den Nummern des letzten Jahrganges wurde der stattliche Band zusammengestellt. Er bietet zwei treffliche Erzählungen, „Gustel Wildfang“ von Luise Glaß und „Das Dorfprinzeßchen“ von Mathilde de la Chapelle, von denen jede für sich ein Buch ergeben würde. Daran schließt sich eine Fülle kürzerer novellistischer Skizzen und belehrender Artikel, sowie eine ganze Anzahl nützlicher Winke.

Ein Gegenstück zu diesem Mädchenjahrbuch bildet „Der gute Kamerad“, ein illustriertes Knabenjahrbuch, von dem die zwölfte Folge als Weihnachtsneuheit geboten wird. Natürlich ist der Ton seines Inhalts strammer und forscher, ganz wie er für den deutschen Knaben paßt. Die Haupterzählungen führen die Titel „Der Arrapahu“ von Max Felde und „Sohn des Gaucho“ von Franz Treller. Bei ihrer Lektüre tummelt sich die Phantasie der Knaben auf den ihr über alles reizvollen Jagdgründen und Kriegspfaden jenseit der Meere. Ueber Militär, Marine und Aeronautik weiß „Der gute Kamerad“ Interessantes zu berichten und bringt gute Belehrungen über einzelne Abschnitte der Geschichte, über Naturkunde und Gesundheitspflege; er giebt Anleitungen für Spiele im Freien, die den Körper stärken, und in Rätseln und Aufgaben eine Beschäftigung für den nimmer ruhenden Spürsinn der Knaben während der Mußestunden.

Der reiferen Jugend, dem Haus und der Familie ist „Das Neue Universum“ (Union, Stuttgart) gewidmet. Von diesem sehr reich illustrierten Jahrbuch, das die interessantesten Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten in Wort und Bild vorführt, ist soeben der 19. Jahrgang erschienen. In unserer Zeit, die durch so viele und große Fortschritte der Technik, die hohe Entwickelung des Reiseverkehrs und die wachsende Bedeutung der Kolonialbestrebungen ausgezeichnet ist, bietet das „Neue Universum“ eine reiche Quelle der Belehrung. Damit es auch anregend zum selbständigen Schaffen der jüngeren Leser wirke, ist es mit einem praktischen Anhang „Häusliche Werkstatt“ versehen.

Nächst den Sammelwerken zählen zu den gesuchtesten Weihnachtsbüchcrn für die reifere Jugend gute Erzählungen. Obenan müssen wir immer diejenigen stellen, welche die Jugend mit der vaterländischen Geschichte vertraut machen oder Kulturbilder aus alter Zeit bieten. Auch unter den neuen Erscheinungen des diesjährigen Weihnachtsmarktes sind erfreulicherweise gute Bücher dieser Art vorhanden. „Kirchbergs Geschick“ (Stephan Geibel, Altenburg) lautet der Titel einer spannenden und auf gründlichen Studien beruhenden Erzählung für jung und alt von Ferdinand Köcher. Sie versetzt den Leser in die Zeiten Friedrichs mit dem Wangenbiß und schildert ein interessantes Stück aus der wechselreichen Geschichte des grünen Thüringerlandes. R. Starcke aus Weimar hat das Buch mit sechs stimmungsvollen Vollbildern geschmückt. Nach Süddeutschland führt uns Paul Oskar Höcker in der Erzählung „Der Ritter mit der eisernen Hand“ (W. Effenberger, Stuttgart). Das Bändchen ist mit fünf Farbdruckbildern von Wilh. Zweigle ausgestattet und macht jüngere Leser mit den Wirrnissen in der Zeit des großen Bauernkrieges bekannt. Aus der jüngsten Vergangenheit, den Jahren 1861 und 1866, ist dagegen der Stoff zu der geschichtlichen Erzählung „Heil dir im Siegerkranz“ von R. Bahmann (Alexander Köhler, Dresden) gewählt. Das gleichfalls illustrierte Büchlein ist der 29. Band der mit Beifall aufgenommenen Volks- und Jugendbibliothek „Aus unserer Väter Tagen“.

Einen besonderen Reiz üben auf die Knaben Erzählungen, die in den jungen Kolonien Deutschlands spielen. So wird auch Paul LindenbergsFritz Vogelsang, Abenteuer eines deutschen Schiffsjungen in Kiautschou“ (Ferd. Dümmlers Verlag, Berlin) gewiß freudig begrüßt werden. Der Verfasser schildert China und die jüngste deutsche Kolonie frisch und klar aus eigener Anschauung, und ebenso getreu, zum Teil nach amtlichen Vorlagen, sind die zahlreichen Bilder, die dem Text beigegeben sind. Die Indianergeschichten sind durch „Martin Forster“ (W. Effenberger, Stuttgart) vertreten. Friedr. J. Pajeken beschreibt darin die abenteuerlichen Erlebnisse eines Knaben im wilden Westen.

Wenden wir uns jetzt zu den sinnigen und gemütvollen Erzählungen, die für das jüngere zarte Geschlecht geschrieben worden sind. Tony Schumacher bietet uns in dem Büchlein „Reserl am Hofe“ (Levy & Müller, Stuttgart) eine Erzählung für jüngere Mädchen. Von Elisabeth Halden ist in diesem Jahre ein Buch unter dem Titel „Neue Mädchengeschichten“ (W. Effenberger, Stuttgart) erschienen, das M. Flashar mit hübschen farbigen Bildern geschmückt hat. Derselbe Verlag bietet noch auf diesem Gebiete die anmutige Erzählung „Heckenröschen“ von Martha Giese mit Bildern von H. Claudius, während das Bändchen „Auf festem Grunde“ (A. Köhler, Dresden) von A. v. Carlowitz fünf Erzählungen für junge Mädchen enthält und von E. H. Walther mit passendem Bilderschmuck versehen wurde. Für die Jüngsten unter den Lesenden eignen sich vortrefflich die lehrreichen, hübsch illustrierten Geschichten „Kinder, macht die Augen auf!“ (W. Effenberger, Stuttgart) von Tony Schumacher.

Der reiche Schatz von Märchenbüchern wird durch das treffliche Buch „Gefundene Perlen aus der Märchenwelt“ (Alex. Köhler, Dresden) von Luise Schottin vermehrt, deren Erzählungstalent einst von Julius Sturm warm anerkannt wurde; daran schließen sich einige neue Märchen unter dem Titel „Das Zauberland“ (W. Effenberger, Stuttgart).

Schließlich wollen wir noch eines altbewährten, sehr nützlichen Verlagsunternehmens gedenken. Die „Universalbibliothek für die Jugend“ (Union, Stuttgart) besteht aus kleinen, einzeln käuflichen Bändchen, die im Original oder in guten Bearbeitungen die Werke unsrer besten Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller dem Haus und der Familie darbieten. Es sind schon mehrere hundert dieser Bändchen erschienen. In diesem Jahre ist die Universalbibliothek durch „Kleine Erzählungen“ von Karl Stöber, bearbeitet von L. Schlegel, und durch vier Bändchen Erzählungen des bewährten Volks- und Jugendschriftstellers W. O. v. Horn bereichert worden.

II. Für die Erwachsenen. Zur rechten Zeit, um den Weihnachtstisch der vielen zu schmücken, die W. Heimburgs Romane und Novellen gern auch in Buchform besitzen, stellt sich der neueste Band derselben ein: der Roman „Antons Erben“ (Leipzig, E. Keil’s Nachfolger). Als derselbe im Beginn dieses nun bald vollendeten Jahrgangs der „Gartenlaube“ erschien, hat das rührende Frauenschicksal, das er entrollt, die Leser so zu ergreifen gewußt, daß gewiß noch allen seine großen poetischen Vorzüge in lebhaftester Erinnerung stehen. In der Stimmung verwandt mit diesem echt deutschen Familienroman ist der Roman Adolf WilbrandtsDie glückliche Frau“ (Cotta, Stuttgart), in dessen Heldin sich die gediegene, wetterfeste Art einer norddeutschen (Fortsetzung siehe 3. Umschlagseite.)     

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 804_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0804_d.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2023)