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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Einfluß verschiedenfarbigen Lichtes auf das Pflanzenwachstum. (Mit Abbildung.) Die Botaniker haben schon seit längerer Zeit festgestellt, daß verschiedenfarbige Lichtstrahlen verschiedenartig auf die Entwicklung der Pflanzen wirken. Neuerdings hat der bekannte Astronom Camille Flammarion in der Nähe seines Observatoriums in Juvisy sehr interessante Versuche ausgeführt. In vier Glaskästen wurden gleich starke Pflanzen einer und derselben Pflanzenart gesteckt. Der eine Kasten wurde mit roten, der zweite mit grünen, der dritte mit blauen und der vierte mit weißen Glasscheiben versehen. Nach drei Monaten waren die Unterschiede in dem Wachstum der Pflanzen auffallend. Unsere der Zeitschrift „La Nature“ entnommene Abbildung stellt das Ergebnis des Versuchs mit der Sinnpflanze (Mimosa pudica) dar, deren fiederartige Blättchen beim Berühren sich aneinander legen und herabneigen.

Einfluß verschiedenfarbigen Lichtes auf das Wachstum
der Sinnpflanze
(Mimosa pudica).

Unter den weißen Glasscheiben hat sich die Pflanze normal entwickelt und erreichte eine Höhe von 100 mm, unter dem Einfluß blauen Lichtes ist sie gar nicht gewachsen und hat ihre Empfindlichkeit völlig eingebüßt; im grünen Lichte wurde die Mimose 152 mm hoch, ihre Triebe erschienen aber etwas bleich und kränklich; ungemein stark wuchs dagegen die Pflanze im roten Lichte; sie erreichte die Höhe von 423 mm, trieb Blüten und ihre Empfindlichkeit war aufs höchste gesteigert. Aehnlich verhielten sich andere Pflanzenarten. Auch die Färbung der Blüten und der Blätter bei buntblättrigen Pflanzen, wie z. B. Coleus, wurde durch farbiges Licht verschiedenartig beeinflußt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß derartige Versuche mit der Zeit im Gartenbau zu praktischer Nutzanwendung Anlaß geben werden. *      

Der neue Leuchtturm in Warnemünde. (Mit Abbildung.) Am Ausfluß der schiffbaren Warnow in die Ostsee gelegen, ist Warnemünde der Hafenplatz von Rostock. Er erfreut sich auch als Seebad eines zahlreichen Besuchs und wird von Nervenkranken als Winterkurort benutzt. In letzter Zeit erhielt der Flecken einen neuen Leuchtturm, den unsere nebenstehende Abbildung wiedergiebt. Derselbe erhebt sich am Anfang der Bismarck-Promenade auf einem 6 m über See gelegenen Plateau zu der stattlichen Höhe von 36,90 m. Er ist aus hellen Backsteinen erbaut und mit dunklen Verblendsteinen geziert. Zwei Galerien umgeben ihn. Der Helm des Turmes birgt die Laterne, eine aus Phosphorbronze bestehende Lampe, die durch ein Pumpwerk mit Petroleum aus dem feuersicheren Keller versorgt wird. Das Licht ist ein Fresnelsches Festfeuer mit einem rotierenden Vorlinsensystem, das in bestimmten Pausen hellere Blinke von drei Sekunden Dauer erzeugt. Bei der behördlichen Prüfung am 19. Oktober ergab sich eine Sichtbarkeit des Feuers auf 16 Seemeilen. Nach Westen zu prangt in einer Nische eine polierte Tafel von schwarzem Marmor. Sie trägt als Relief einen goldenen Greif, das Wahrzeichen Rostocks. Der Bau ist von der Stadt Rostock nach einem Plane des Hafenbaudirektors Kerner ausgeführt worden. *      

Der neue Leuchtturm in Warnemünde.
Nach einer photographischen Aufnahme von R. A. Ahrens in Warnemünde.

Die neuesten Nachrichten. (Zu dem Bilde S. 749.) Längst haben die beiden Eheleute auf unserm Bilde den Höhepunkt des Lebens überschritten. Rüstig haben sie jahrzehntelang gearbeitet, ihre Kinder großgezogen und versorgt und auch so viel erübrigt, daß ihnen ein ruhiger Lebensabend gesichert ist. Friedlich fließen die Tage dahin in dem schlichten, aber traulichen Heim. Die Zahl der alten Freunde ist geschmolzen, denn die einen sind nach auswärts verzogen, die anderen gestorben, und so meldet sich nur selten ein Besuch, um ein Plauderstündchen zu halten. Da ist den beiden Alten die Zeitung zu einer lieben Freundin geworden; tagtäglich kommt sie und bringt die neuesten Nachrichten aus Stadt und Land und der weiten Welt. Früher konnten die fleißigen Leute das Blatt nur flüchtig durchsehen, jetzt studieren sie es gründlich und das Wichtigste wird sogar laut vorgelesen. Zu unabweisbarem Bedürfnis ist ihnen das Lesestündchen geworden, und sie würden lieber Milch und Zucker auf ihrem Kaffeetisch missen als die „neuesten Nachrichten“.

Ein afrikanisches Gastmahl. (Zu dem Bilde S. 761.) Seit Jahresfrist bilden in verschiedenen deutschen Städten die Aufführungen der Löwenbändigerin Miß Claire Heliot für das schaulustige Publikum eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Die anmutige „Dompteuse“ ist in England geboren, hat aber ihre Erziehung von früher Jugend an in Deutschland erhalten. Ihr Entschluß, Löwen zu dressieren, entstammt ihrer großen Zuneigung zu den Tieren. In dem durch seine erfolgreiche Löwenzucht berühmten Zoologischen Garten zu Leipzig fand sie das geeignete Tiermaterial, neun Löwen, die beim Beginn der Dressur etwa ein Jahr alt waren. Miß Heliot hat die mildesten Mittel zur Bändigung angewandt und dadurch den Vorteil erreicht, daß ihre Aufführungen nichts Rohes an sich haben, sondern anmutig berühren. Es ist der Miß gelungen, zwei ihrer Löwen, Sascha und Nero, zu Seiltänzern auszubilden, was in der Geschichte der Löwendressur durchaus neu ist. An einigen Nummern des reichhaltigen Programms nehmen auch zwei deutsche Doggen teil. Unser Bild wurde von F. Specht nach dem Leben gezeichnet, als Miß Heliot in Nills Zoologischem Garten zu Stuttgart Vorstellungen gab. Es stellt die Scene im Centralkäfig dar, in welcher die Bändigerin einen Teil ihrer Löwen an einer Tafel mit Fleischstücken füttert.

Erster Frost. (Zu dem Bilde S. 769.) Gestern noch schien die herbstliche Sonne warm über die gelichteten Baumkronen, heute nacht hat der Frost die letzten Blätter von den Aesten gestreift und die Sonnenblumenstauden im Gärtchen tief niedergebeugt. Gestern noch hoffte ein junges Herz auf Liebe und Glück, heute lesen die Augen enttäuscht, daß diese Hoffnung trügerisch war – der „erste Frost“ ist ins Innerste gefallen und still traurig wandelt die Verlassene durch die herbstlich öde Landschaft. Es geht ein Hauch der Melancholie von dem feingestimmten Bilde aus, das durch seine einfache Empfindung Blick und Gedanken des Beschauers fesselt.

Pallas Athene. (Zu unsrer Kunstbeilage.) Die Lieblingstochter des Zeus, die nach der Sage aus dessen Haupte gewappnet und mit hochgeschwungenem Speere entsprang, hat von allen Göttinnen Griechenlands die höchste Verehrung genossen. Sie galt den Hellenen als Lenkerin der Schlachten, die denen Sieg verleiht, welche nicht bloß mit Tapferkeit, sondern auch mit Klugheit und Besonnenheit die Waffen führen. In ihr verkörperte sich die geistige Kraft, welche die Griechen befähigte, sich sowohl in den Künsten des Kriegs wie in denen des Friedens den Barbaren überlegen zu zeigen. Die Athener verehrten in ihr in jeder Beziehung die Schutzgöttin ihrer Stadt, die nach ihr den Namen trug: die Weisheit ihrer Staatsmänner und Kriegshelden stand unter dem Einfluß der Göttin, auch Handel und Gewerbe, auf denen Athens Wohlstand beruhte, erfreuten sich ihres Schutzes. Sie persönlich sollte den ersten Oelbaum auf Attikas Boden gepflanzt haben. Kein Wunder, daß die griechische Kunst, deren Pflege in Athen zur höchsten Blüte gelangte, unerschöpflich war in Gestalten der Pallas Athene. Für den auf der Akropolis Athens ihr geweihten Tempel, das Parthenon, schuf Phidias das berühmte Standbild aus Gold und Elfenbein, das sie als „Verleiherin des Sieges“ (Athene Nikephoros) darstellte. Sie trug in der vorgestreckten Rechten eine Figur der Göttin des Siegs, der Nike, in der Linken den gesenkten Schild. Andere große Bildhauer haben sie mit geschwungenem Speer, andere wieder ganz ohne Waffen gestaltet. Immer aber hatte ihr Antlitz den Charakter ernster Nachdenklichkeit, und ihre feingeschnittenen Züge zeigten mehr Würde als Anmut. Die „Verleiherin des Siegs“ stellt auch der Münchner Maler Franz Stuck in dem Bilde der Göttin dar, das unsre Kunstbeilage wiedergiebt. Als Brustharnisch trägt die Gewaltige das schlangenumsäumte Fell der Aegis mit dem Haupte der Gorgo; beide Ungetüme hatte sie selbst erlegt.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart.0Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 772. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0772.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2023)