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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

„Es tritt noch ein Umstand hinzu,“ sagte Hagedorn gepreßt, „der mir die Angelegenheit doppelt peinlich macht. Ich – ich stehe persönlich mit – jemand gespannt, der ein nahes Interesse an der Sache haben und denken muß, dieser Umstand sei auf meine Handlungsweise nicht ohne Einfluß geblieben.“

Der Rechtsanwalt horchte auf und dampfte so heftig aus seiner Cigarre, daß gewaltige blaue Ringel in die stille, heitere Abendluft emporflatterten.

„Dies darf Sie gleichfalls nicht bestimmen, mit Ihren Mitteilungen zurückzuhalten!“ entgegnete er fest. „Sie können sich außerdem überzeugt halten, daß man sich der äußersten Vorsicht bedienen und Ihren Namen erst dann nennen wird, wenn dringende Notwendigkeit es gebietet!“

„Ich fürchte, sie wird es gebieten! Zur Sache also! Ich fuhr zum Musikfest nach Stettin – ich wollte, ich hätte es nicht gethan, aus mehr als einem Grunde! – und traf dort einen alten Bekannten, noch aus meiner Wiener Zeit. Wir hatten fast ein Jahr hindurch Pult an Pult in demselben Comptoir gearbeitet, und ich hatte den ehrenhaften, tüchtigen Menschen immer gern gehabt. Wir freuten uns beide sehr, alte Erinnerungen wurden aufgefrischt. Mein Bekannter – Wollheim ist sein Name – hat jetzt Stellung in Rostock in einem großen Bankgeschäft, nachdem er früher jahrelang im Westfälischen bei einer Fabrik Disponent gewesen ist. Wir fragten uns gegenseitig unsere Lebensschicksale ab. Wie ich ihm sagte, daß ich hier in der Kolonie Josephsthal sei, stutzte er und fing von dem Mord an – ich solle ihm doch ja sagen, was ich davon wüßte ....“

Raimund trocknete sich mit seinem Taschentuch die Stirn.

„Und Sie sagten ihm das,“ fiel Ueberweg ein, absichtlich in nüchternem, geschäftsmäßigem Ton sprechend.

„Ja, – ich erzählte es ihm – auch, wie die Sache mir nahegegangen, da ich doch mit Baron Hofmann verwandt und ihm zu Dank verpflichtet gewesen sei. Wollheim wollte nun genau wissen, was die Justiz herausgebracht, auf wen sie Verdacht gehabt und so weiter. Ich sagte ihm, was ich wußte, auch daß ein gewisser Kraßna, ein Pole, der kurze Zeit in den Werken gearbeitet habe, nach seiner wegen Aufwiegelung der Leute erfolgten Entlassung verhört, aber wegen Mangels an Beweisen und eines beigebrachten Alibis wieder freigegeben worden sei. Nun rückte er mit der Sprache heraus. Diesen Kraßna kenne er, derselbe sei auch in jenem westfälischen Fabrikort beschäftigt gewesen und habe dort einen guten Freund gehabt, mit dem er förmlich unzertrennlich gewesen sei. „Dieser Freund –“ Hagedorn stockte. „Dieser Freund,“ fuhr er dann mit Anstrengung fort, „ist ein jüngerer Bruder des hiesigen Oberingenieurs Harnack, ein begabter, aber sehr leichtsinniger Mensch, der keine gute Vergangenheit hat. Er hat damals, als sein Bruder die ausgezeichnet gut dotierte Stelle in Josephsthal bekam, den Chef der Werke, Baron Hofmann, brieflich ersucht, ihn, den jüngeren


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Rückkehr von der Weinlese.
Nach dem Gemälde von A. Corelli.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0688.jpg&oldid=- (Version vom 18.2.2023)