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Saltnerausrüstung, um so die Zusammengehörigkeit der „Hut“ zu bezeichnen. Im Haupthause der „Hut“ befindet sich die „Rungel“. Das ist ein schweres vierzig Centimeter langes und zehn Centimeter breites Messer, mit allerlei Zeichen versehen. Mond und Sterne sind darauf eingeschlagen, zum Zeichen, daß der Saltner die Nacht wachsam sein soll, oft auch ein mit dem Saltner ringender Teufel, und nie fehlt das Drudenkreuz, das gegen die Druden, d. h. Nachtgeister, schützen soll und folgende Gestalt hat (Pentagramm). Die Rungel führt auch den Kosenamen „’s Greatele“ (Gretchen) und der Bauer, der sie aufbewahrt, heißt darum der „Gretlbauer“.

Ist ein Bursche von den „Hutbauern“ zum Saltner erwählt, und dies ist eine große Ehre, denn er muß ein tadelloses Vorleben haben und wird von der politischen Behörde in Pflicht genommen, so stellt er sich beim „Gretlbauer“ und spricht: „Die Ehr zu danken kumm i, daß mi die Wahl troffen hat, und wenn a Wein im kühlen Keller wär, den Antrunk machet i zur gerechtsamen Hut.“ Der „Gretlbauer“ bringt nun einen Krug Wein, trinkt davon mit dem Spruche: „’s Vertrauen hat schon in Richtig’n troff’n. Beschütz es und ehr’s.“ Hierauf reicht er dem Burschen den Krug, welcher bedächtig leergetrunken wird. Dann wird dem Saltner die Rungel übergeben, welche er an der rechten Hüfte befestigt, und er beginnt seinen Rundgang auf den betreffenden „Huthöfen“, um die einzelnen Stücke seiner Ausrüstung zu sammeln. Ueberall wird der obligate Krug Wein getrunken, und wenn der Saltner sich vom letzten Hofe seiner Hut entfernt, so schaut ihm wohl der Bauer schmunzelnd nach. „Dös werd a saggrischer Saltner,“ sagt er, „den reißt’s nit glei um.“ Diese Bemerkung ist bedeutungsvoll, wenn man bedenkt, daß der Bursche im Laufe des Nachmittags vielleicht fünf Liter Rotwein getrunken hat.

Auch die „Diandlen“ schauen dem Saltner mit freundlichen Blicken nach. Wird er doch für die Zeit seiner Hut wenigstens einen Tag in der Woche Hausgenosse; denn der Saltner hat während seiner Dienstzeit die Kost abwechselnd in jenen Bauernhöfen, deren Weingärten er überwachen soll. Seine Kammer giebt er für diese Zeit auf und bereitet sich da und dort in den Häusern, in irgend einem Winkel der Scheune eine Lagerstätte. „Ma soll nit wiss’n, wo a Saltner schlaft,“ sagt man im Burggrafenamte. „Ma soll nit wiss’n, wo a Saltner fensterlt,“ sagt dieser.

Um Jacobi beginnt der Dienst der Saltner. Durch die Weingärten führt eine Menge gern erlaubter und der Abkürzung und des Schattens wegen viel benützter Wege. Von diesem Tage an werden sie aber „Pfandwege“. Der Saltner stellt bei der Einmündung derselben einen Pfahl auf mit einer roh aus einem Brette geschnittenen Hand, die mit Dornenzweigen geziert ist: „Die Saltnertatz“. Der Weg ist nun nicht gerade verboten, aber wer auf einem solchen vom Saltner getroffen wird, zahlt ein „Pfandgeld“ von fünf Kreuzern. Auch auf offenen Wegen pflegt der Saltner den „Stadtlinger“ um einen Tabakkreuzer anzusprechen.

Da und dort errichtet der Saltner zumeist aus Maisstengeln Schutzwände, hinter welchen er auf Diebe lauert, oder er baut sich einen Auslug auf einem hohen Baum. Das Gerichtsverfahren ist zumeist ein sehr einfaches. Traubenstehlende Kinder stäubt er einfach mit einer Rute durch. Erwachsene Personen führt er auf jenen Hof, zu welchem der Weingarten gehört, in dem gestohlen wurde, und da kann sich der Ertappte mit Geld abfinden. Bei einem größeren Diebstahl wird der Gefangene aufs Gemeindeamt geführt.

Ich begegne nun der Frage, auf welche Weise die Weingartenbesitzer sich die Ueberzeugung verschaffen, daß der Saltner seinen ganzen Bezirk auch fleißig abstreift. Sehr einfach. Der Saltner hat auch die Obliegenheit, um die Weingärten gegen Eindringen des Viehes zu schützen, die Sperrzäune in Ordnung zu halten und etwa losgegangene Latten mit den überall wachsenden Weiden festzubinden. Der Saltner streift nun, zum Zeichen, daß die Reparatur frisch gemacht ist, vom Weidenzweig das Laub nicht ab; der Bauer hingegen reißt, um die Wachsamkeit desselben zu prüfen, nicht ungern da und dort einmal eine Latte los. Ist die Stelle dann einige Tage nicht repariert, so muß sich der Saltner viel Sticheleien gefallen lassen.

Der Saltner hingegen findet in dieser Sache wieder fleißige Bundesgenossinnen. Wenn er bei einem Diandl zum Fensterln geht, versäumt er gewiß nie die Bitte: „Gelt du Herzsüße, a brochns Zäundl, wenn d’ findest, selb bindest auf mit einer Laubrute. Es wachsen eh Röserln drauf, wenn du’s thust.“

Die schöne Leserin wird nun meinen, das ist allerdings gute Aushilfe im Weingarten des einen Hofes. Der Saltner hat aber viele Höfe in seiner Hut. Da will ich nun ein Saltnerliedlein bekanntgeben, welches sagt:

„Zwei Diandlen z’ liaben,
Sell macht miar nit hoaß,
Der oan muaß ma schönthuan,
Daß die andre nix woaß.“

Der Saltner schleicht auch die Nacht an das Haus des Weinbergbesitzers, um zu „wetzen“. Dies geschieht, indem er mit seiner Hellebarde in Bogenlinien unter dem Fenster der Schlafkammer des Bauern fest an der Mauer so lange hin und her streicht, bis derselbe durch Klopfen an das Fenster anzeigt, daß er seinen diensteifrigen Saltner gehört habe. Daß ein Mann, welcher so viel in der Nacht herumstreifen muß, welchem sogar der Besuch der Kirche für die Zeit der Hutdauer geschenkt ist, im hohen Grade den Nachstellungen der Hexen und der Geister ausgesetzt ist, gilt als selbstverständlich.

Aber da hat er auch seine Gegenmittel. Er trägt an einer Schnur um den Hals geweihte Pfennige von Maria Einsiedel, dann einen geweihten Rosenkranz in der Hosentasche und noch einige geweihte Pfennige im ledernen Geldbeutel.

Die Hauptsache aber ist das „Kreuzeisen“. Dieses hat die Form des Eisernen Kreuzes, nur ist es vielleicht zweimal so groß. Es sind auf ihm alle möglichen Zeichen eingeschlagen, deren Bedeutung niemand mehr kennt, welche aber auf allen Kreuzeisen vorkommen. Das Drudenzeichen bildet die Mitte.

Der Träger dieses Kreuzeisens kann ruhig zuschauen, wenn die Hexen in der Au tanzen, oder wenn die Saligen Fräulein durch die Lüfte ziehen, oder wenn der Teufel zur Nachtzeit durch die Rauchfänge der Häuser späht, ob nicht eine arme Seele abzufangen wäre. Ihm können all diese finstern Mächte nichts anhaben. Die Hexen haben sich in früherer Zeit auch oft Mühe gegeben, ein solches Kreuzeisen einem Saltner abzuschmeicheln.

So geschah es auf der alten Vintschgauer Straße, wo die Etsch sich über das starke Gefälle der Töll in den Thalkessel von Meran stürzt. Da war einmal ein Saltner. Ein junger, schwarzlockiger Bursche mit treuherzigen, blauen Augen, wie man es nicht selten sieht bei den Leuten des oberen Etschthales. Die Mädchen aus dem Dorfe Algund, wo er als Knecht bedienstet war, schauten ihn gern an und lächelten ihm ermunternd zu. Ja sogar die reichen, stolzen Bauerntöchter verschmähten es nicht, an Sonntagen seinen Hut mit roten Nelken zu schmücken. Und rote Nelken bedeuten Liebe in Tirol. Er aber nahm die Blumen freundlich entgegen, kamen sie nun von der Anna, oder der Marie, von der erbgesessenen Tochter, oder von der Magd. Auf dem Thalerhofe lebte ein Witwer mit seiner einzigen Tochter. Diese war sehr schön, aber die jungen Burschen fürchteten sich, ihr zu nahen, denn ihre verstorbene Mutter stand im Rufe einer Hexe, und man flüsterte sich zu, sie habe solch’ unheimliche Kunst auch ihrer Tochter vererbt. Die Thaler Kundi stellte nun dem jungen, schönen Knechte nach auf jede mögliche Weise. Er aber schien es nicht zu bemerken und nahm ihre Aufmerksamkeiten mit derselben Ruhe und Kälte entgegen wie von den anderen Mädchen. Er wurde oft und oft gewarnt vor der Thaler Kundi. Aber er lachte dazu und meinte: „Mir kann nix ankommen, i hab allwegs a Kreuzeisen bei mir.“ Das wurde einmal der Kundi hinterbracht, und diese nahm sich fest vor, dem Burschen das Kreuzeisen abzulocken, um ihn in ihre Gewalt zu bekommen.

Sie hatte noch nie von der „schwarzen Kunst“ Gebrauch gemacht, von der sie thatsächlich einiges verstand.

Es kam die Zeit der Saltnerhut heran und der junge Bursche trat seinen Dienst an. In einer herrlichen, mondhellen Nacht war es, da vernahm er oben auf dem Plarschersegg einen wunderherrlichen Gesang, der ihn mit fast unwiderstehlicher Gewalt anzog. Da fand er eine Mädchengestalt auf einem großen Felsen sitzend, wie er sie noch nie geschaut. In herrlichen, langen, schwarzen Locken wallte das Haar um die Schultern der Singenden. Sie war in ein silberschimmerndes Gewand gehüllt und in ihren

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0683.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2023)