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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

dies und sondert solche in den schwimmenden Hummerkästen in Gefangenschaft gehaltenen Tiere schleunigst von den andern. Andernfalls würde der arme frisch gehäutete und noch weiche Geselle einfach von seinen eigenen raubgierigen Genossen aufgefressen werden. Verschmäht doch der gehäutete Hummer nicht, selbst Teile seines eigenen abgeworfenen Panzers zu verzehren. Die neue, anfangs noch recht weiche und empfindliche Schale erhärtet nur sehr langsam, und es vergehen nach Herrick 6 bis 8, ja 10 bis 12 Wochen, bis der Hummer wieder verkaufsfähig geworden ist.

Während der Zeit des Erhärtens vollzieht sich auch das Längenwachstum des Hummers. Es ist immer nur verhältnismäßig gering, doch in der Jugend größer als im Alter; ein Tier von 25 cm Länge hat sich etwa 25 mal gehäutet. Beispielsweise betrug die Länge eines Hummers vor der Häutung 19,1 cm, nach derselben 22,3 cm, also Zunahme 3,2 cm, während ein 37,5 cm langer Hummer nach der Häutung nur 1,5 cm gewachsen war. Das Wachstum scheint mit dem Aelterwerden sich mehr auf stärkere Ausbildung der Scheren zu beschränken.

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Das Aussetzen der Hummerkörbe.
Nach einer Photographie von Hofphotograph G. Friederichs in Helgoland.

Eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit des Hummers mag noch erwähnt sein: die Fähigkeit, einzelne Glieder, mögen sie nun durch Selbstverstümmelung, im Kampfe mit eigenen Genossen oder auf andere Weise verloren sein, in kurzer Zeit durch neue zu ersetzen. Im Aquarium der Biologischen Anstalt auf Helgoland wurde ein Tier von etwa 22 cm Länge beobachtet, welches seine linke Schere verloren hatte. Es bildete sich nun zunächst an der Bruchstelle ein fleischförmiger Ansatz, der, ohne zu erhärten, deutlich die Umrisse einer Schere erkennen ließ und bis zur halben Länge der alten Schere heranwuchs. Dann trat die Häutung ein und aus der zarten Umhüllung kam eine neue Schere zum Vorschein, die bald erhärtete und in Form und Größe schließlich der andern Schere gleichkam. Auch Herrick hat an ganz jungen Tieren diesen Vorgang häufig beobachtet.

Für die Bewohner Helgolands bildet der Hummerfang das bedeutendste und einträglichste Fischereigewerbe. Die einst so stolze und ansehnliche Schaluppenflotte, welche 20 bis 30 Meilen weit in See ging, um Schellfisch und Kabeljau zu angeln, ist bis auf etwa 10 Fahrzeuge geschwunden, da seit der stärkeren Befischung der Nordsee der Ertrag nur gering ist und die Helgoländer ihr Geld von Badegästen und Touristen auf weit bequemere und reichlichere Art einzunehmen verstehen. Der Verdienst durch Hummerfischerei ist dafür desto lohnender, werden doch jährlich etwa 60- bis 70000 Stück im Werte von 50- bis 60000 Mark gefangen und versandt. – Alljährlich zur Frühjahrszeit, wenn die bösen Winterstürme vorüber sind und der Hummer sein Winterlager verläßt, beginnt der Fang, nachdem bereits vorher die Geräte und Boote nachgesehen und ausgebessert sind.

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Am Hummerkasten.
Nach einer Photographie von Hofphotograph G. Friederichs in Helgoland.

Der Hauptfangapparat besteht aus dem etwa 60 cm hohen Hummerkorb (helgoländisch „Tiner“), dessen Form am besten mit einem Bienenkorbe verglichen werden kann. Seine Gestalt erhält er durch Holzspangen und Reifen, die in Abständen miteinander verflochten sind und mit Netzwerk oder Drahtgaze überzogen werden. Der Boden ist mit flachen Steinen beschwert, und seitlich befindet sich ein trichterförmiger, reusenartiger Eingang, welcher wohl das Hineinkriechen des Hummers gestattet, aber sein Entkommen verhindert und den Zugang zu dem im Innern des Korbes angebrachten Köder (junge Dorsche u. a.) bildet.

Ein anderes, jedoch weniger gebräuchliches Fanggerät ist die „Glippe“. Sie besteht aus einem etwa 50 cm im Durchmesser haltenden Eisenreifen, an welchem ein sackartiges Netz hängt. Eine durch drei kurze Taue (Sprenken) mit dem Eisenreifen verbundene Leine dient dazu, die Glippe zu versenken. Der Köder sitzt in der Mitte des Reifens an einem ausgespannten Draht und kommt, wenn die Glippe den Meeresboden erreicht, in die Mitte des Netzes zu liegen. Vermutet nun der Fischer einen Hummer am Köder, so zieht er die Leine mit einem Ruck an, wodurch das Tier in das Netz fällt und dann möglichst schnell heraufgeholt wird.

Die besten Hummerfangplätze liegen an den Rändern der sogenannten „Helgoländer Rinne“ in einer Tiefe von etwa

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 640. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0640.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2023)