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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

In dem Bestreben, die Berechnungen über die Festigkeit der Stein- und Stahlkonstruktionen mit unwiderleglichen Beweisen zu versehen, hat man alle möglichen Materialien in genau arbeitenden Apparaten einem immer höher steigenden Druck unterworfen, bis sie endlich zersprangen. So wurde u. a. auf diese Weise ein Würfel aus Carborundum, als dem härtesten bekannten Mineral, zerdrückt, und alsdann ein solcher aus feinstem, hartem Stahl. Der Kohlenstoffblock zersprang, als er einem Druck von 850 kg auf den Quadratcentimeter unterworfen wurde. Der Stahl hielt einem Drucke von beinahe 6050 kg auf den Quadratcentimeter das Gegengewicht, und als er dann endlich zersprang, geschah es mit dem Donner eines gelösten Geschützes, während sich feine Stahlsplitter in alle zugänglichen Gegenstände der Umgebung einbohrten.

Das ist nur eine ganz kleine Auslese aus den Experimenten der modernen Technik, aber sie wird sicherlich ausreichen, um zu zeigen, wieviel des Interessanten und Neuen auf diesem Gebiete sich abspielt.

W. Berdrow.


Blätter und Blüten

Zur Krönung der Königin Wilhelmina. (Mit Bildnis S. 581.) In der berühmten Nieuwe Kerk (Neuen Kirche) zu Amsterdam, in welcher so manche Großthaten niederländischer Geschichte durch Denkmäler verherrlicht sind, fand am 6. September ein bedeutsamer, feierlicher Akt statt.

Der jugendlichen Königin Wilhelmina ward auf das blonde Haupt die Krone der Niederlande gedrückt und sie hat den Eid geleistet, die Gesetze des Landes zu achten und sein Wohl wahrzunehmen, „wie es eine gute Königin zu thun schuldig ist“.

An dem Feste der stammverwandten Holländer nehmen auch die Deutschen mit aufrichtigen Glückwünschen teil, ist doch die junge Königin, der man nur Gutes nachsagt, die Tochter einer deutschen Fürstin.

Wilhelmina ist bereits seit acht Jahren Königin der Niederlande. Mit König Wilhelm III, der am 23. November 1890 starb, erlosch der Mannesstamm des Hauses Nassau-Oranien. Zwar hatte ihm seine erste Gemahlin Sophie, Tochter des Königs Wilhelm I von Württemberg, zwei Söhne, die Prinzen Wilhelm und Alexander, geschenkt, aber beide waren dem Vater im Tode vorausgegangen. Aus seiner zweiten Ehe mit Emma, Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont, stammt Wilhelmina, die nach dem Grundgesetze des Landes dem Vater auf dem Thron der Niederlande folgte. Damals war sie erst zehn Jahre alt und so übernahm ihre Mutter, die Königin Emma, die Regentschaft des Landes. Die Königin-Regentin zeigte sich ihrer Aufgabe völlig gewachsen; als eine kluge und doch liebenswürdige Fürstin ist sie bei den Holländern sehr beliebt. Sie hat es auch verstanden, ihre Tochter trefflich zu erziehen und für den schwierigen Herrscherberuf vorzubereiten.

Am 31. August dieses Jahres vollendete Königin Wilhelmina ihr achtzehntes Lebensjahr und übernahm die Regierung des Landes. Der Krönung in Amsterdam schließt sich eine Reihe von Festlichkeiten an, die zwei Tage dauern sollen. Am 9. September wird die Königin ihren feierlichen Einzug in die Residenzstadt Haag halten und dort mehrere Tage verweilen, um an den geplanten Festlichkeiten und Volksbelustigungen teilzunehmen.

Möge es der jungen Herrscherin in der Zukunft beschieden sein, die Liebe, die ihr das Volk entgegenbringt, sich stets zu erhalten und als eine „gute Königin“ ihr Land zu beglücken.

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Münchens Trauerfeier um den Fürsten Bismarck. (Zu dem Bilde S. 585.) Zu einer ernsten Feier war München am 12. August gerüstet. Es galt, der tiefen Trauer, von welcher durch das Hinscheiden des Fürsten Bismarck die Herzen erschüttert wurden, auch einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen, und Tausende und aber Tausende zogen bewegt nach dem Königsplatze, wo am späten Abend die ergreifende Kundgebung stattfinden sollte.

Mit schwarzen Trauertüchern waren die Propyläen, das berühmte mit dorischen und jonischen Säulen geschmückte Prachtthor, verhangen. Dunkle Cypressen zogen sich von ihm im Halbkreis nach der Glyptothek und dem Kunstausstellungsgebäude hin, und inmitten dieses düsteren Halbrunds ragte der mächtige, acht Meter hohe Katafalk empor. Von der Vorderseite des schwarzen Aufbaus leuchtete weit sichtbar das mit einem goldenen Eichenkranze umrahmte Wappen Bismarcks, während an den Ecken Gestalten trauernder Genien mit langen schwarzen Flügeln Fackeln hielten. Ein Riesenkranz aus goldenen Eichenblättern, der im Durchmesser zehn Meter hatte, war hinter diesem Mittelpunkt der Trauerdekoration aufgestellt und hob sie wie ein leuchtender Rahmen wirkungsvoll von dem dunklen Hintergrunde ab. Goldene Guirlanden an den Pylonen der Propyläen und goldene Vierfüße vor dem Katafalk und zwischen den Cypressen vervollständigten den großartigen Trauerschmuck.

Gegen 30 000 Menschen harrten auf dem Königsplatze in weihevoller Stimmung auf den Beginn der Trauerfeier. Glockengeläute und Fanfaren, die von der Glyptothek, dem Kunstausstellungsgebäude und dem Dache der Propyläen abwechselnd erklangen, leiteten sie ein. Nun traten aus der mittleren Säulenhalle 20 Gugelmänner mit Magnesiumfackeln hervor. So werden die mit schwarzen Kapuzen vermummten Gestalten genannt, die nach altem Brauch bei der Bestattung der bayrischen Könige zu erscheinen pflegen. Langsam schritten sie vor und traten an den Katafalk. Inzwischen wurden auf den Dächern, den Drei- und Vierfüßen die Feuer entzündet. Der blutigrote Schein der Pechpfannen ergoß sich über die Trauerstätte, und nun begann bei den Klängen des Trauermarsches aus der As-moll-Sonate von Beethoven die eigentliche Huldigung. In langer Reihe zogen mit gesenkten Fahnen die Deputationen verschiedener Vereine vorbei, langsam bestiegen sie die Stufen des Katafalks und legten dort ihre Kränze nieder. Den Schluß dieser Huldigung bildete der Vortrag eines Chors, der nach der Dichtung Possarts von Theodor Podbertsky komponiert worden war:

„Leuchtet, ihr Flammen, ihr blutigroten,
Züngelt empor in die Nacht,
Werdet den Völkern der Erde Boten:
Die Deutschen halten ihrem Toten
     Die letzte Fahnenwacht.
Hört Ihr den Schwur, der dem trauernden Volke
Heut’ sich entringt?
Flammende Wolke
Trag’ ihn beschwingt
Nach Osten – nach West:
‚In Treue fest‘
Stehen wir hier,
Halten eisern was Er uns geschaffen,
Schützen das Reich! Und mit heiligen Waffen
Trotzen wir kühnlich des Feindes Begier:
Eins in der Not,
Eins bis zum Tod!
So segne uns Gott!“

In gewaltigen Schlußtönen verklang der Chor, und nun fiel ein markerschütternder von den Tambouren der drei Münchener Infanterieregimenter geschlagener Trommelwirbel ein, nach dessen Verhallen die Musik die „Wacht am Rhein“ intonierte. Aus tausend und aber tausend Kehlen brauste das Lied mächtig zum nächtlichen Himmel empor, und mit ihm schloß die erhebende Trauerfeier Münchens um den gewaltigen Schmied der deutschen Einheit.

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Georg Ebers †.
Nach einer photographischen Aufnahme von Georg Brokesch in Leipzig.

Georg Ebers †. (Mit obenstehendem Bildnis.) Ein tüchtiger Gelehrter, ein Liebling des deutschen Lesepublikums, ein vortrefflicher, liebenswürdiger Mensch ist in Georg Ebers dahingegangen, der am 7. August in seiner Villa in Tutzing am Starnberger See verstarb. Auf dem Umweg durch die historische Forschung ist er zum Dichter geworden; aus der reichen Stofffülle, die ihm die ägyptische, römische und deutsche Vorzeit gewährte, hat er seine poetischen Bilder entnommen, das Leben, das er seinen Gestalten einhauchte, die Gedankenwelt, in welche seine Romane eingesponnen sind. Ebers ist am 1. März 1837 zu Berlin geboren. Auf der dortigen Universität vertauschte er das Studium der Rechte, dem er sich anfangs widmete, 1858 mit demjenigen der klassischen und orientalischen Philologie, und seit 1859 beschränkte er sich ausschließlich auf die Aegyptologie. Auf dem Gebiete dieser Wissenschaft hat er sich namentlich durch den glücklichen Fund des „Papyros Ebers“, welcher von den Arzneimitteln der alten Aegypter handelt und aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. stammt, sowie durch den eingehenden Kommentar zu dieser altersgrauen Urkunde einen Namen gemacht.

In Jena hatte sich Ebers 1865 habilitiert, wurde dort 1868 außerordentlicher Professor und 1870 als ordentlicher nach Leipzig berufen, wo er bis zum Jahre 1889 als Docent wirkte. Die Folgen einer schweren Erkrankung in seiner Jugendzeit, die zunehmenden Lähmungen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 607. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0607.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2018)