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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

den Erzherzog Stephan, vorschlug. In Wien selbst nannte man bereits den Erzherzog Johann, der wegen seiner Ehe mit einer Bürgerlichen und eines Toasts, den er bei der Dombauweihe in Köln 1842 auf das „einige Deutschland“ gehalten hatte, viel Sympathien im Volke besaß, als geeignetsten Kandidaten. In Bayern aber tauchte der Vorschlag auf, die Kaiserwürde von fünf zu fünf Jahren unter den Häusern Oesterreich, Preußen und Bayern alternieren zu lassen. So stand es im deutschen Süden, als Heinrich v. Gagern am 24. März im hessischen Landtag das Wort ergriff, um über die Ausführung des Kammerbeschlusses vom 28. Februar zu berichten. „Ich frage,“ rief er, in seiner Hoffnung auf Preußen noch unerschüttert, „ob die Ereignisse der letzten Tage uns bestimmen können, der Krone Preußen die Rolle jetzt nicht mehr zuzugestehen, die eine gesunde Politik ohne persönliche Sympathien bisher ihr zugestanden hat, und diese Frage glaube ich verneinen zu müssen. Man bietet in Preußen die Hände zum Frieden und zur Versöhnung denen, mit denen man eben in heißer Schlacht gekämpft hat. Wenn dies auf dem Schlachtfeld möglich war, meine Herren, haben wir nicht erhöhten Beruf, die Aufregung zu beschwichtigen, Versöhnung zu vermitteln und eingedenk zu sein, daß wir alle zusammenstehen müssen, um den Bau aufzuführen des einigen Deutschen Reiches, auf der Grundlage der Freiheit und der Liebe zum Vaterlande?“ Aber dieser versöhnliche Ton fand keinen Wiederhall mehr im Volke.

Ludwig Pfau.

Johannes Scherr.

Das selige Vertrauen, welches die ersten Märzerrungenschaften, das Entgegenkommen der Regierungen in der Bevölkerung der deutschen Südweststaaten erzeugt hatten, war nicht allein durch die Berliner Ereignisse getrübt worden. Beunruhigende Nachrichten von russischen Rüstungen, von aus Frankreich drohenden Einfällen, die Unfähigkeit der Kriegsminister, die bewilligte Volksbewaffnung schnell und einheitlich durchzuführen, der fortdauernde Notstand auf dem Lande steigerten das Mißbehagen, während die großen Siege der Volksbewegung und die Schwäche der Regierungen überall eine gefährliche Ueberschätzung der eigenen Kraft, eine verhängnisvolle Mißachtung der positiven Machtmittel des Staatslebens großzogen.

Hermann Kurz.

Angesichts der also herrschenden Verwirrung beschlossen die „Siebener“, so vorsichtig als möglich vorzugehen. Welcker und Gagern vereinbarten für das Programm des „Vorparlaments“ folgenden Verfassungsentwurf: ein Bundesoberhaupt mit verantwortlichen Ministern, einen Senat der Einzelstaaten, ein Volkshaus mit Abgeordneten von je 70000 Seelen; Kompetenz des Bundes unter Verzicht der Einzelstaaten zu gunsten der Centralgewalt auf folgende Punkte: einheitliches Heerwesen, einheitliche Vertretung gegenüber dem Auslande, ein System in Handels- und Schiffahrtsgesetzen, im Bundeszollwesen, in Münze, Maß, Gewicht, Posten, Wasserstraßen und Eisenbahnen; Einheit der Civil- und Strafgesetzgebung und des Gerichtsverfahrens; ein Bundesgericht; Verbürgung der volkstümlichen Freiheitsrechte. Unter den herrschenden Umständen war es aber selbst in dieser Form ein Wagnis, die Oberhauptsfrage auf die Tagesordnung einer Versammlung zu setzen, die zu bindenden Beschlüssen weder das Recht noch die Macht hatte und von den „Siebenern“ doch nur einberufen worden war, um „im Zusammenwirken mit den Regierungen“ die baldige Einberufung eines Deutschen Parlaments herbeizuführen und die beste Form dafür zu beraten. Ihr Programm bot den radikalen Gegnern immer noch die Anknüpfung, um von der Tribüne des Vorparlaments herab die deutsche Republik zu proklamieren. Aber sie wollten offenbar es darauf ankommen lassen, daß schon jetzt und vor diesem Forum der ganzen Nation der unausbleibliche Kampf zur Entscheidung gelange.

Einfahrt Sylvester Jordans in Frankfurt a. M.

So ging der März, der Sturmmond der freiheitlichen Errungenschaften, unter neuen Stürmen zu Ende, welche die vermeintlich schon miterrungene Einheit schwer gefährdeten. Und der letzte des Monats, der Tag der Eröffnung des Vorparlaments, war in dieser Beziehung der stürmischste. – Wohl hatten Senat und Bürgerschaft Frankfurts nichts versäumt, um diesen 31. März zu einem Jubel- und Freudenfest der deutschen Einheit zu machen. Die ganze Stadt von der Spitze des Domes herab bis hinaus vor die Thore strahlte schon an den Tagen des Empfangs in schwarz-rot-goldenem Festgewand und von Haus zu Haus schwang sich in frischen Tannengewinden das Grün der Hoffnung. In den Sprüchen und allegorischen Bildern, die diesen Ausschmuck belebten, ward die Zusammenkunft all der gefeierten Vaterlandsfreunde als das Auferstehungsfest des freien und einigen Deutschlands begrüßt. Die Mahnung, das große Ziel der nationalen Einigung über die Parteimeinungen zu stellen, erklang aus gar mancher Ansprache

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0208.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2020)