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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


Inhalt.
Seite
Die arme Kleine. Eine Familiengeschichte von Marie von Ebner-Eschenbach (Anfang) 197
Im Haselnußstrauch. Gedicht von Franz Bechert 202
Ein Kriegsrat im Jahre 1809. Ein Erinnern und Plaudern von Peter Rosegger. Mit Abbildung 202
Wie das erste Deutsche Parlament entstand. Ein Rückblick von Johannes Proelß.
Mit Illustrationen nach gleichzeitigen Lithographien und Holzschnitten.
     IV. Das Vorparlament (Anfang)
204
Antons Erben. Roman von W. Heimburg (6. Fortsetzung) 210
Die erste Volksheilstätte für Brustkranke in Bayern.
Von Dr. Ferdinand May. Mit Abbildungen
217
Auf dem Kynast. Historische Erzählung von Rudolf von Gottschall (Schluß) 218

Blätter und Blüten: Gesellschaft der Waisenfreunde. S. 226. – Das neue Männerasyl für Obdachlose in Berlin. (Zu dem Bilde S. 227.) S. 226. – Ein merkwürdiges Summen in der Luft. S. 227. – Ständchen aus luftiger Höhe. (Zu dem Bilde S. 221.) S. 227. – Photographische Nachtbilder. (Zu dem Bilde S. 228.) S. 227. – Der Panzerkreuzer „Hansa“. (Mit Abbildung.) S. 228. – Walserthalerinnen. (Zu dem Bilde S. 197.) S. 228. – Die Schmollenden. (Zu dem Bilde S. 225.) S. 228.

Illustrationen: Walserthalerinnen. Von R. Mahn. S. 197. – Ein Kriegsrat im Jahre 1809. Von F. v. Defregger. S. 200 und 201. – Abbildungen zu dem Artikel „Wie das erste Deutsche Parlament entstand“. Der „Römer“ in Frankfurt a. M. Friedrich Hecker. G. v. Struve. S. 204. H. v. Gagcrn. Frankfurt a. M. vor 50 Jahren. Von T. T. Siegmund. S. 205. Das Bundestagspalais in Frankfurt a. M. S. 206. Fr. Jucho. K. v. Stedmann. Robert Mohl. S. 207. Ludwig Pfau. Johannes Scherr. Hermann Kurz. Einfahrt Sylvester Jordans in Frankfurt a. M. S. 208. Einzug der Mitglieder des Vorparlaments in die Frankfurter Paulskirche. Von Fritz Bergen. S. 209. Karl Mittermaier. S. 210. – Im Frühling. Von E. Niczky. S. 213. – Abbildungen zu dem Artikel „Die erste Volksheilstätte für Brustkranke in Bayern“. Die Volksheilstätte Krailling bei Planegg in Bayern. S. 217. Caritas vollendet den Bau der Volksheilstätte. Von Hermann Kaulbach. S. 218. – Ständchen aus luftiger Höhe. Von H. Haase. S. 221. – Die Schmollenden. Von R. Warthmüller. S. 225. – In der Sammelhalle des neuen Männerasyls für Obdachlose in Berlin. Von A. Kiekebusch. S.227. – Nächtliches Straßenbild. S. 228. – Der Kreuzer „Hansa“ nach dem Stapellauf. S. 228.


Hierzu Kunstbeilage VII: „Blondkopf“. Von Gabriel Max.




Kleine Mitteilungen.


Reisen in alter Zeit. Wer heute im bequemen Eisenbahnwagen durch die norddeutschen Ebenen fährt, der denkt gewiß nicht daran, mit welchen Strapazen eine solche Reise im vorigen Jahrhundert verbunden war, zu der man so viel Wochen brauchte wie heute Tage. In seinen Erinnerungen und Studien „Aus vergangenen Tagen“ (Berlin, Th. Schönfeldt) plaudert Oskar Meding in anregender Weise nicht bloß über Pariser Eindrücke und Künstlergestalten, sondern er entrollt auch einige kulturgeschichtliche Bilder. So teilt er den Bericht des Barons von Bielfeld in seinen selten gewordenen „freundschaftlichen Briefen“ über eine Reise mit, welche dieser im Jahre 1740 unter den damals denkbar günstigsten Verhältnissen und mit Aufbietüng aller Hilfsmittel, welche Geld und hoher Rang zu bieten vermochten, unternahm, und wenn man diesen Bericht liest, möchte man es kaum für möglich halten, daß eine solche Odyssee inmitten des damals doch schon hoch civilisierten Europa möglich gewesen sei. Vor dem Beginn des ersten schlesischen Feldzugs sendete Friedrich der Große den Grafen von Truchses und den Baron Bielfeld in außerordentlicher Mission nach London, um die englische Regierung zu einer Unterstützung seiner Pläne oder mindestens zu einer wohlwollenden Neutralität zu bestimmen. Anfangs Dezember fand die Abreise von Berlin statt und am 6. Januar 1741 erstattete Baron Bielfeld von London aus seinen Bericht an den Staats- und Kabinettsminister von Podewils über die merkwürdige Reise, die fast einem wirklichen Feldzug ähnlich war. Die Herren hatten Köche, Kammerdiener und Lakaien mit sich, fanden überall vorgelegte Relais und hatten sich verproviantiert, wie man es heutzutage zu einer Reise nach Afrika thun würde. Freilich muß man sich, um die Vorgänge der Fahrt zu begreifen, die engen und unbequemen Wagen jener Zeit vorstellen, die auf riesigen Rädern dahinrollten und auf höchst unpraktischen Federn hin und her schwankten. Schon vor den Thoren von Berlin überfiel die Reisenden ein dichter, Glatteis erzeugender Regen; das Glatteis setzte sich an den Aesten der Bäume in den Wäldern und an den Seiten der Landstraße fest, so daß sie erschienen, als ob sie mit Krystall überzogen wären. Die Schwere des Eises machte, daß starke Aeste prasselnd und krachend herabfielen; der Wagen hätte von ihnen leicht zertrümmert werden können. Nach einer unendlich mühevollen Fahrt wurde Gardelegen erreicht, wo man zwei Tage verweilte, um die Wagen ausbessern und um zugleich über den Bedientensitz eine mit Fries gefütterte Decke von Wachsleinwand anbringen zu lassen, da die armen Leute mit einer Eiskruste überzogen und halb erfroren gewesen waren. Dann fuhr man weiter und erreichte ein Dorf Namens Steimke, welches, fünf Meilen von Hannover, an der Oker liegt. Dieser Fluß war gänzlich ausgetreten; soweit das Auge reichte, war alles überschwemmt und mit Eis bedeckt. Die Pferde traten durch das Eis und verwundeten sich die Füße. Das Wasser stieg so hoch, daß es in die Wagen hineinströmte. Mit großer Mühe erreichten die Wagen eine trockene Anhöhe, und hier standen die Reisenden hilflos, von einer eisigen Sündflut umgeben. Graf Truchses ließ zwei Pferde abspannen, er setzte sich auf das eine, mit seinem Geldkasten vor sich, Baron Bielfeld auf das andere, mit dem Portefeuille, welches die diplomatischen Papiere und Aktenstücke enthielt; so kamen beide Herren bald reitend, bald schwimmend bis zu dem Dorfe. Durch große Geldanerbietungen wurden die Bauern bewogen, zahlreiche Vorspannpferde auf die Anhöhe zu bringen, und mit entsetzlicher Mühe wurden die Reisewagen mit den Sekretären und Dienern nach dem Dorfe gebracht. Dort hatten sich die beiden Diplomaten beim Pfarrer einquartiert, der noch nie so gut gelebt hatte wie jetzt, wo er der Gast seiner Gäste war; denn es wurden in der Küche vortreffliche Diners bereitet und der Reiseweinkeller war ausgezeichnet. Am dritten Tage kam von Hannover, wohin die Kunde der unfreiwilligen Gefangenschaft gedrungen, der Drost von Bothmer mit hundert Bauern, um das Wasser in die Gräben zu leiten und die zerstörten Brücken wieder herzustellen. So gelangten sie nach Hannover, aber sie konnten dann nicht einmal Minden erreichen – sie blieben mitten in der Nacht eine Meile vor Minden im Kot stecken. Das Wetter war außerordentlich kalt geworden; die Wagen froren in dem vorher aufgeweichten Erdreich fest – sowohl die Herren wie die Diener waren dem Erfrieren nahe. Postillone ritten voraus, um Vorspannpferde zu besorgen. So wurde der Wagenzug wieder mobil gemacht. Man kam dann nach Herford, doch mußten an jeden Wagen zwölf Postpferde gespannt werden und zwölf Bauern gingen neben den Wagen her, um sie zu stützen und vor dem Umstürzen zu bewahren. In Herford gönnte man sich einige Ruhe am Hofe der Aebtissin – die Wagen mußten repariert werden. Von Herford ging es nach Bielefeld; die Diplomaten kamen dort glücklich an, doch die zweite Kutsche, in welcher ein Sekretär saß, wurde umgeworfen und stürzte im Finstern in einen tiefen Graben. Ein Koffer des Herrn von Bielfeld, in welchem fünf reiche Kleider verpackt waren, für die Feste am englischen Hofe bestimmt, versank im Morast und der eindringende Schmutz verdarb die Galakleider so vollständig, daß sie nicht mehr zu reinigen waren. Später wurde, wegen der Ueberschwemmung des Rheins, die Reise zu Wasser in großen Rheinkähnen und Jachten fortgesetzt, bis die Reisenden glücklich den Haag und die See erreicht hatten. Die bisher berichteten Reiseabenteuer genügen wohl, um dem heutigen behaglichen Eisenbahnpassagier ein abschreckendes Bild der trostlosen Verkehrsverhältnisse des vorigen Jahrhunderts zu geben und es nicht als eine spöttische Renommage erscheinen zu lassen, wenn man ausruft, daß wir auf diesem Gebiete es jetzt „so herrlich weit gebracht haben“. †     

Mas ist die deutsche Handelsflotte wert? Zur Zeit sind nach M. Lindemann von Hamburger und Bremer Reedereien 213 Dampfer im Verkehr befindlich, deren Anschaffungspreis die Summe von 287 Millionen Mark betragen hat. Ihr Buchwert ist natürlich etwas geringer, immerhin macht er, die Tonne zu 220 Mark gerechnet, noch 177 Millionen Mark aus. Dazu kommen noch 57 Millionen Mark für augenblicklich im Bau begriffene Dampfer von zusammen 146200 Tonnen. Beides zusammen ergiebt für die Dampferflotte unserer beiden bedeutendsten Seestädte einen Kaufwert von 344, einen Buchwert von 234 Millionen Mark. Die Dampferflotte unserer übrigen deutschen Seeplätze zusammen wird man mit reichlich einem Drittel dieser Summe, zufolge des statistischen Ausweises, bewerten können, so daß der Buchwert der deutschen Dampferflotte rund 320 Millionen Mark beträgt, während der Kaufwert etwa 140 Millionen Mark mehr, also 460 Millionen Mark ausgemacht haben wird. Hierzu kommen für rund 400000 eiserne Segelschifftonnen, die Tonne zu 130 Mark gerechnet, 52 Millionen Mark, und für rund 175000 hölzerne Segelschifftonnen, die Tonne zu 40 Mark, noch 7 Millionen Mark. Zur Zeit hat also die gesamte deutsche Handelsflotte einen Buchwert von etwa 400 Millionen Mark, gewiß ein beträchtliches Sümmchen. Zu welchen Summen aber würde man erst kommen, wollte man den Wert der Waren berechnen, welche in diesen Schiffen jeden Augenblick auf dem Meere schwimmen! Diese würden den Wert der gesamten Schiffe um ein Vielfaches übersteigen.

Wie lange halten Haarnadeln, Nähnadeln, Schreibfedern etc. Wind und Wetter stand? Von den Versuchen, die von einem Engländer hierüber angestellt worden sind, berichtet die „Eisenzeitung“: Am schnellsten wurden die Haarnadeln vernichtet. Nach 154 Tagen waren sie völlig verrostet, der Wind nahm den Rost auf und blies ihn fort, nach sieben Monaten war keine Spur mehr von ihnen vorhanden. Gewöhnliche weiße Stecknadeln widerstanden achtzehn Monate; bei den messingnen dauerte es nicht einmal so lange, der Grünspan zerfraß sie schon früher. An den Federhaltern waren schon nach 11/4 Jahren die Stahlfedern völlig weggerostet, während die Halter selbst sich nur wenig verändert hatten, was jedenfalls zum Teil mit an der Farbe lag, mit der sie gestrichen waren. Die polierten Stahlnadeln widerstanden ziemlich lange, nämlich 21/2 Jahre. Ein gewöhnlicher schwarzer Bleistift aber war am widerstandsfähigsten. Holz sowohl wie Graphit blieben auch nach längerer Zeit völlig wohlerhalten.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 196_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0196_d.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2020)