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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Oesterreichische Ostereier.

Skizze von R. March. Mit Illustrationen von L. Janda.

Das „Ritzen“ der Ostereier.

In den Volksbräuchen der Osterzeit nimmt das Ei eine hervorragende Stelle ein. Vieles deutet darauf hin, daß das Osterei älter ist als das christliche Osterfest. Vermutlich war es der Frühlingsgöttin Ostara geweiht und spielte bei den heidnischen Frühlingsfesten eine hervorragende Rolle.

Noch heute knüpft sich an Eier, die am Gründonnerstag gelegt worden sind, allerlei Aberglaube. Solche Eier gelten in vielen Gegenden als besonders heilsam; sie sollen denjenigen, der sie am Osterfest verzehrt, vor allerlei Krankheiten schützen und auch zu manchem Zauber gut sein. Vergräbt z. B. ein Hirt ihre Schalen auf seinem Weideplatze, so kann er nach dem Volksglauben sicher sein, daß ihm im Laufe des Jahres kein Stück von seiner Herde verloren gehen werde.

Auf diesem Glauben an die besondere Wirkung der Ostereier beruht wohl die Sitte, dieselben an Freunde und gute Bekannte zu verschenken. Man begnügte sich aber nicht damit, die Eier, wie sie aus dem Neste kommen, zu verteilen, sondern versah sie mit besonderem Schmucke, indem man ihre Schale färbte. Auch diese Sitte ist uralt und reicht in heidnische Zeiten zurück. Ursprünglich wurden die Ostereier rot gefärbt, und dieses Rot war wohl für unsere Vorfahren das Symbol der aufgehenden Sonne. Später verwendete man zu diesem Zwecke alle möglichen Farben und versah die Eier mit bunten Mustern, Bildern und Sprüchen. Hier und dort hat sich dieser Brauch noch vollständig erhalten, und in den Dörfern verschiedener Gegenden leben geübte „Eiermaler“, welche zu Ostern kunstreich verzierte Eier liefern. Die Zahl dieser Künstler ist aber in rascher Abnahme begriffen; denn in der Neuzeit beschenkt man sich, namentlich in den Städten, lieber mit Eiern aus Zucker und Chokolade oder mit solchen aus Pappe und Holz, die als Bonbonnieren dienen. Um so mehr verdient eine Sammlung von Ostereiern unsere Beachtung, die sich in dem Museum für österreichische Volkskunde zu Wien befindet. Sie ist einzig in ihrer Art und infolge der bunten Völkerkarte Oesterreichs auch überaus mannigfaltig.

Besonders anziehend erscheinen uns die mährischen Ostereier. In Mähren, namentlich unter der deutschen Bevölkerung bei Iglau, steht das Osterei noch in hohem Ansehen. Dort giebt das Mädchen dem auserwählten Burschen ein Osterei, jung und alt beschenkt sich damit, und an Angehörige, die in der Fremde weilen, wird ein schön bemaltes, mit einem Spruch versehenes Ei als Ostergruß aus der Heimat versendet. Darum giebt es hier in einzelnen Dörfern kunstfertige Leute, von denen mancher über tausend Eier zur Osterzeit verziert und mit Sprüchen versieht. Neuerdings hat Franz Paul Piger über diesen Gegenstand eine interessante Abhandlung in der „Zeitschrift für österreichische Volkskunde“ veröffentlicht. Die Kunst des Schmückens der Ostereier – berichtet er – ist nicht so einfach, als es sich mancher vorstellen mag. Mit der Rinde des Apfelbaumes, die er in Wasser kochen läßt, färbt der Künstler zuerst das Ei gelb. Was gelb bleiben soll, das bedeckt er mit einer feinen Wachsschicht und färbt dann das Ei rot, indem er es mit Zwiebelschalen im Wasser kochen läßt. Ist dies geschehen, so wischt er das Wachs wieder weg und hat nun ein gelbrotes Ei. Jetzt greift er zum Rasiermesser oder Griffel und ritzt in die Eierschale seine Zeichnungen ein, die auf dem gelben oder roten Grunde in reiner Weiße schimmern. So stellt er Menschenfiguren, Tiere und Blumenranken dar. Das wichtigste an dem Osterei sind aber die Sprüche, die von den Bestellern oft besonders aufgegeben werden und mitunter mehrere Strophen lang sind. In diesen Sprüchen, die frei aus dem vorhandenen Schatze deutscher Sprüche gewählt werden, kommt verschiedenes zum Ausdruck: Versicherungen der Liebe und Freundschaft, Glückwünsche und auch Scherze. Es werden nicht nur Hühnereier, sondern auch Gänseeier zu diesem Zweck verwendet, sie sehen ja stattlicher aus und bieten den Vorteil, daß auf ihre Schalen längere Sprüche geritzt werden können.

Mährische Ostereier.

Nicht allein Männer, sondern auch Mädchen und Frauen versuchen sich in der Kunst der Herstellung von Ostereiern, und unsere nebenstehende Abbildung zeigt uns eine mährische Frau bei der Arbeit des Einritzens.

Mehr als siebzig mährische Muster sind bekannt, die auf vorwiegend gelb-rotem Grunde so geschickt eingeritzte geometrische Figuren, Blätter, Blumen, Ranken, Sterne, Herzen u. dergl. darstellen, daß manches dieser Ostereier ein kleines Kunstwerk genannt werden kann. Besonders schön sind die dunkelblauen Ostereier mit Stiefmütterchen, die in der Gegend bei Lundenburg beliebt sind. Unsere Abbildung „Mährische Ostereier“ zeigt uns ein rotes mit Rasiermesser geritztes Ei (Nr. 1); das daneben befindliche (Nr. 2) ist gelb-rot; darunter sehen wir ein blaues mit einem Griffel geritztes (Nr. 4) und daneben wieder (Nr. 3) ein nur bemaltes Osterei.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0185.jpg&oldid=- (Version vom 23.4.2024)