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Verfassung der Herzogtümer, nach welcher diese unteilbar waren und nur unter der Lehnshoheit der dänischen Könige standen, die Anerkennung aufsagte. Er bezeichnete Schleswig geradezu als das unbeschränkte Eigentum der dänischen Krone. Der Protest der schleswig-holsteinschen Stände dagegen fand in Deutschland mächtigen Wiederhall. Noch ehe der Bundestag sich zu einem Widerspruch aufraffen konnte, der schwächlich genug ausfiel, war von Heidelberg aus, das seit Welckers Ansiedelung in Neuenheim zum Mittelpunkt der ganzen Bewegung geworden war, eine Adresse der badischen Liberalen an die Schleswig-Holsteiner und den tapferen Präsidenten ihrer Ständeversammlung, Wilhelm Beseler, ergangen, die sie zum kräftigsten Widerstand mahnte. Bald erklang das Chemnitz’sche Lied vom „meerumschlungenen Schleswig-Holstein“ in allen deutschen „Liederkränzen“ und Turnvereinen, wo immer solche noch geduldet waren. Die von Reyscher und Dahlmann ins Leben gerufenen Germanistentage in Frankfurt a. M. und Lübeck gestalteten sich zu weithinwirkenden Kundgebungen des nationalen Empfindens; die gefeiertsten Dichter und Forscher, die wissenschaftlichen Hüter des Deutschtums, ein Uhland, Jakob Grimm, Dahlmann, ergingen sich hier in glänzenden Reden, die der Wiedergeburt des Vaterlands galten. Ja auch das kirchliche Leben trug dazu bei, das Verlangen der Geister nach Freiheit mit dem nach nationaler Einigung zu verschmelzen; die „deutsch-katholische“ Bewegung unter Johannes Ronge und Robert Blum, wie die protestantische der „Lichtfreunde“ unter Lebrecht Uhlich trugen diesen Charakter; nicht minder die Bewegung in dem nach bürgerlicher Freiheit ringenden Judentum unter Gabriel Rießers Führung. Ein edler Drang, sich zu dem gemeinsamen Ideal zu bekennen, erfüllte die gebildete deutsche Welt, und als jetzt Gutzkows Tragödie der Gesinnungstreue „Uriel Akosta“ als Neuheit über die Bühnen ging, als das stolze Wort „Die Ueberzeugung ist des Mannes Ehre!“ bei jeder Aufführung rauschenden Beifall weckte, da zeigte sich, daß es Tausenden aus der Seele gesprochen war.

J. Ronge.   G. Rießer.   L. Uhlich.

In den Dienst all dieser Bewegungen und dieses idealen Bekenntnismuts stellte sich um die Mitte des Jahrs 1847 ein großes Zeitungsunternehmen, dessen Ursprung ein ganz eigentümlicher war. Am 8. August 1846 hatte wieder eine Versammlung von Führern der nationalen Freiheitsbewegung in Hallgarten bei Adam v. Itzstein getagt, dieselbe, zu welcher Robert Blum von Leipzig aus die uns erhaltene Einladung an Johann Jacoby vermittelt hatte. In diesem Briefe war die Notwendigkeit betont, einen festeren Zusammenhalt der Vaterlandsfreunde für ein gemeinsames und gleichmäßiges Handeln anzustreben auf Bahnen, die sich fruchtbarer erweisen könnten als die bisherigen; es war von einem Unternehmen die Rede, das die Herbeischaffung von Mitteln zur Hebung und Förderung desselben ganz besonders notwendig mache. Im folgenden November hielten die liberalen Mitglieder der badischen Volkskammer, welche jetzt wieder die Majorität hatten und zu denen auch der Landtagspräsident Professor Mittermaier von Heidelberg zählte, zu Durlach eine Zusammenkunft, auf welcher unter Leitung der alten Führer Itzstein und Welcker die Gründung einer großen Zeitung beschlossen wurde, bestimmt, dem Ringen nach Freiheit und nationaler Einigung in allen deutschen Staaten ein gemeinsames Organ zu werden. Verleger wurde Bassermann in Mannheim; Karl Mathy, der in den letzten Jahren ein kleineres Organ der badischen Kammeropposition, die „Landtagszeitung“, redigiert hatte, ward in den Redaktionsausschuß gewählt, während nach mancherlei Verhandlungen der in Heidelberg zu Welckers nächstem Umgang zählende Historiker Gervinus, der jüngste der „Göttinger Sieben“, die verantwortliche Redaktion übernahm. Seit Vollendung seiner „Geschichte der deutschen Nationallitteratur“ hatte sich dieser ganz der Politik zugewendet; die Heidelberger Adresse an die Schleswig-Holsteiner war von ihm verfaßt worden; seine liberale Gesinnung hatte er eben erst in einer besonderen Schrift über den Verfassungskampf in Preußen, im Wettstreit mit Welcker, bethätigt. Auch Mittermaier und der jugendfrische Historiker Ludwig Häusser gehörten dem Redaktionsausschuß an. In Heidelberg, wo das Blatt gedruckt wurde, gelangte es auch zur Ausgabe. Für die Kosten wurden von liberalen Männern aller Schattierungen in ganz Deutschland Geldbeiträge gesteuert, und aus ihren Reihen wurden die Mitglieder für einen Ehrenrat erwählt, der alljährlich mit den Redakteuren zu einer Beratung über Haltung und Ziele des Blattes zusammentreten sollte. Es befanden sich darunter von namhaften Führern der Opposition des preußischen Landtags: Hansemann, A. v. Auerswald, Graf Schwerin, ferner Freiherr v. Schön in Königsberg und Oberbürgermeister Binder in Breslau, von denen jener zu Johann Jacoby, dieser zu Heinrich Simon in nahen Beziehungen stand. Bayern war durch den Freiherrn v. Closen, einen Veteranen der früheren Verfassungskämpfe, und durch die Pfälzer Stadtrat Kolb in Speyer und Advokat Willich in Frankenthal, beide zu Itzsteins und Welckers nächstem Freundeskreis gehörig, vertreten, Sachsen durch den Vorkämpfer der dortigen Gerichtsreform K. Braun – einen Waffengefährten von Blum, Todt und v. Dieskau –, der jetzt als Präsident der sächsischen Kammer fungierte, sowie den liberalen Professor v. d. Pfordten in Leipzig. Die württembergischen Liberalen entsandten in den Ehrenrat den alten Prokurator Schott, Römers Schwiegervater, der ebenso wie die Vertreter Hessen-Darmstadts, Heinrich v. Gagern und Staatsrat Jaup, jetzt wieder bereit war, am politischen Leben praktisch teilzunehmen, nachdem dessen Stagnation diese Männer nun schon lange von solcher Thätigkeit ferngehalten. Noch seien genannt Schöff Souchay in Frankfurt a. M., Bürgermeister Smidt in Bremen, Professor Wurm in Hamburg – letzterer ein alter Freund Welckers – und Wilhelm Beseler in Schleswig, der obengenannte Präsident der schleswig-holsteinschen Ständekammer. Wie ein Gruß aus der Klassikerzeit berührten die Namen des alten Historikers Schlosser in Heidelberg und des Kanzlers Müller in Weimar.

Von diesen und anderen Männern war das Programm der „Deutschen Zeitung“ unterschrieben, das im Mai 1847, bald nach Eröffnung des „Vereinigten Landtags“ in Berlin, von Mannheim und Heidelberg hinaus in alle Gaue des Vaterlands flog. Als Aufgabe des Unternehmens war darin bezeichnet: das Gefühl der Gemeinsamkeit und Einheit der Nation zu unterhalten und zu stärken, alle Bestrebungen zur Ausgestaltung des Deutschen Bundes zu einem kraftvoll geeinten Bundesstaat zu fördern und das Prinzip der konstitutionellen Monarchie in einem freien Sinne, in allen seinen Konsequenzen und für alle Teile des Vaterlands zu verfechten, „wo es zu behaupten, wo es zu läutern, wo es herzustellen und wo es zu erringen ist“. Die staatsbürgerliche Gleichberechtigung aller Stände und aller Konfessionen ward als Grundsatz aufgestellt, der in den Verfassungen aller Einzelstaaten zur Durchführung gelangen müsse. Und am 1. Juli 1847, gerade als Friedrich Wilhelm IV seine störrigen „Stände“ zornig wieder nach Hause schickte, erschien die erste Nummer dieser „Deutschen Zeitung“, von der Gustav Freytag mit Recht sagt: „Nie trat eine deutsche Zeitung imponierender vor die Nation. Die

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