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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Halbheft 4.   1898.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahresabonnement (1. Januar bis 31. Dezember) 7 Mark. Zu beziehen in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.


Antons Erben.

Roman von W. Heimburg.

 (3. Fortsetzung.)


Acht Tage vor Weihnacht findet endlich die Jagd auf Wartau statt. Anton ist ein bißchen nervös, er hat jetzt die vornehme, geräuschlose Gastlichkeit in den andern Herrenhäusern gesehen, und Christel besitzt doch so gar keine Erfahrung in diesen Dingen. Was haben sie auch bisher für Besuche gehabt? Zuweilen Pastors, und einmal Karl mit seiner Frau aus Dresden; da ging’s einfach und gut bürgerlich her, aber – jetzt?

Er macht ein paarmal den Mund auf, um ihr zu sagen: „Christel – so und so, und wenn du nicht weiter weißt, frage Fräulein von Wartau,“ aber er verschluckt es, er ist überhaupt so seltsam, als habe er das Sprechen verlernt, als koste es ihn eine große Ueberwindung, mit ihr gemeinsam etwas zu überlegen. Christel aber ist unermüdlich in Vorbereitungen für dieses Fest, schon Tage vorher; sie sieht ein bißchen blaß aus, sie leidet so häufig an Kopfweh, aber sie lacht, als sie darauf angeredet wird: „Das thut nichts, geht vorüber.“ Wenn sie es Anton nur recht macht!

Am Jagdtage selbst hat sie ein bißchen Fieber, aber sie hält sich tapfer. Anton fährt etwas besorgt zum Rendezvous. Auf drei Uhr ist das Mittagsessen angesetzt.

„Soll ich nicht Fräulein Edith auffordern?“ fragt Christel ihren Mann. „Liebe Zeit, die Trauer um den alten Großvater, den sie kaum gekannt hat, wird doch nicht beeinträchtigt durch dieses Herrendiner, und beim Nachtisch soll ich mich ja doch gleich zurückziehen, also sie ebenfalls; es wäre doch eine Abwechslung für das arme junge Ding.“

Er hat schon die Jagdmütze auf dem Kopf und bastelt noch an dem Muff herum. Sie sieht, wie seine Stirn sich unter der Mütze zusammenzieht und seine Zähne auf den Schnurrbart beißen. „Meinetwegen,“ sagt er dann kurz, „adieu, Christel!“

„Da wünsche ich dir recht viel Unglück!“ ruft sie ihm lachend nach, getreu dem alten Aberglauben, daß einem Jäger, der auszieht, etwas Schlimmes gewünscht werden muß, damit er Glück habe. Dann geht sie wieder an ihre Beschäftigung.

Als gegen drei Uhr die Wagen auf den Hof fahren, ist das untere Stockwerk völlig erleuchtet, des ungewöhnlich dunklen Wetters wegen; der Diener in einfacher Livree steht an der Freitreppe und öffnet die Schläge der Wagen. In Antons Zimmer machen die Herren ein wenig Toilette, und der Hausherr selbst eilt über den Flur, um nach Christel, nach den Zimmern, vor allem nach der Tafel zu sehen.

Gleich im ersten Gemach steht Christel in schwarzer Atlasrobe, das blonde Haar wie zu einer Krone über der geraden weißen Stirn hochgesteckt. Er stutzt, sie sieht stattlich aus, aber alt, recht alt und so stark in


Deutschlands merkwürdige Bäume: die Linde von Eckertsdorf.
Nach einer Skizze von H. Matthiae gezeichnet von W. Hoffmann.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0101.jpg&oldid=- (Version vom 22.4.2024)