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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Nr. 42.   1897.
Die Gartenlaube.
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Jahresabonnement: 7 M. Zu beziehen in Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf., auch in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.

Einsam.
Roman von O. Verbeck.

(11 .Fortsetzung)

26.

Langsam, auf leises Sohlen, schlich die Zeit immer tiefer in den Winter hinein. Der Februar schien es diesmal noch ernsthafter vorzuhaben als sein größerer, gewichtigerer Bruder, der zum Beginn des neuen Jahres klirrenden Frost als Ablösung der allzulange andauernden Novemberstürme über das triefende, aufgeweichte Land geschickt hatte. Endlich war Schnee gefallen, tagelang, ununterbrochen, bald feingepulvert, bald in großen, weichen Flocken, zuweilen in ruhelos durcheinanderstäubenden, blendenden Wirbeln, meist aber sacht als unabsehbare, unendliche Schar taumelnd niedersinkender weißer Sternchen. Schweigsam, lind und schonungsvoll, nicht rauschend, rieselnd und plätschernd wie der aufdringliche Regen. Zu weichen Polstern gebettet lag er in den Hausecken, in Nischen und windgeschützten Winkeln, breitete sich schimmernd über die Rasenflächen, lag in schweren Massen auf Bäumen und Büschen. Als die Welt endlich weiß genug war, kam die bleichgewordene Wintersonne aus ihrem Wolkenversteck hervor. Mit ihrem kalten, aber strahlenden Lächeln scheuchte sie die grauen Dunstschleier hinweg, weiter und weiter, bis sie den zartblauen Himmel wieder für sich allein hatte. Blendend, leuchtend, wenn auch nicht lebenspendend lag nun ihr funkelnder Glanz auf der glitzernd weißen Herrlichkeit.

Hanna warf noch einen bewundernden Blick auf diese helle Pracht, ehe sie die Hausthür schloß. Sie kam durch den Park aus dem Gärtnerhäuschen zurück wo sie sich nach dem kleinen Jungen des Gärtners umgesehen hatte, der mit einem gebrochnen Knöchel im Bett lag. Schon seit acht Tagen, aber gestern abend erst hatte sie es erfahren. Sie werde nun jeden Tag kommen, hatte sie den Leuten gesagt, um achtzugeben daß nichts versäumt werde. Lehnert solle nur einen Weg für sie freifegen, einen kurzen Richtweg; ihr Kleidersaum war in dem tiefen Schnee heute ganz naß geworden, trotz aller Vorsicht. Das Fritzchen war mit dieser Anordnung sehr einverstanden. Die beiden Apfelsinen auf seiner Bettdecke lachten ihn an, und Mutter hatte gesagt, das gebratene Hühnchen wäre ausgezeichnet – und morgen sollte er ein Bilderbuch bekommen.

Wenn's nur recht lange dauern möchte mit dem eingegipsten Bein!

Hanna entledigte sich des Mantels und der Pelzstiefel, in die sie mit ihren kleinen Hausschuhen geschlüpft war, that die große, kleidartige Küchenschürze an und begab sich hinunter zu Pauline.

Es galt heute einer spanischen Escabescia, einem sehr verschmitzten Gericht von verschiedenem Geflügel das hoffentlich ebenso „interessant“ ausfiel wie die italienische Minestra von vorgestern abend. Die indische Mullagatavny-Suppe, die gleichfalls auf dem heutigen Programm stand, war schon erprobt und gutgeheißen worden.

„Aber der neue Türk’, gnä' Frau – wie heißt er doch? es klingt so nach Levy – der will nicht steif werden!“ klagte Pauline.

„Das Mahallebi,“ sagte Hanna lächelnd. „So? Nicht steif? Das ist aber dumm! Da können wir es ja heute nicht bringen! Lassen Sie doch sehen!“

„Hier, gnä' Frau. So was Verrücktes von einem

Arnold Böcklin.
Nach einer Aufnahme von Dr. G. Hirth in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 693. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_693.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2016)