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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

eine Schrotladung nach oben. Ein farbenprächtiger Papagei ist unsere Beute. Nachdem er in der Jagdtasche wohlgeborgen ist, setzen wir unseren Streifzug fort. Erst nach einer geraumen Stunde kommen wir wieder zum Schuß. Ein kleiner blauer Eisvogel fliegt durch das Unterholz, bleibt auf einem niedrigen Strauche sitzen und fällt unserem Gewehr zum Opfer. Mit dieser spärlichen Beute sind wir aber keineswegs zufrieden, da es uns heute nicht auf die Bereicherung unserer Sammlung, sondern vor allem darauf ankommt, unserer Küche Wildbret zuzuführen. Unsere Hoffnung darauf soll sich schließlich auch erfüllen. Zwar streifen wir noch einige Stunden lang vergebens im Urwald umher, wobei wir durchschnittlich jede Stunde einmal zu Schuß kommen, aber nur kleine Vögel für die Sammlung erbeuten. Endlich setzen wir uns ermüdet auf einen umgefallenen Baumstamm. Nach geraumer Weile hören wir ein Rauschen in dem dürren Laub, das den Waldboden dicht bedeckt, und sehen eine große, über einen Meter lange Eidechse des Wegs daherkommen. Wir begrüßen sie mit einem Schrotschuß, worauf sie regungslos liegen bleibt. Aber gerade, als wir sie ergreifen wollen, wird sie wieder lebendig und klettert eiligen Schrittes am nächsten Baumstamm in die Höhe. Wir sind jedoch nicht gewillt, sie preiszugeben, haben auch im zweiten Laufe unserer Doppelflinte noch eine mit Vogeldunst gefüllte Patrone stecken und brennen ihr diese Ladung aus nächster Nähe auf den Schuppenpelz. Mit Mühe wird auch sie in der ziemlich weiten Jagdtasche untergebracht.

Wir sind durch diese Beute zu weiteren Streifereien ermuntert worden und begeben uns aufs neue auf den Pirschgang. Niederes Buschwerk hemmt unseren Weg, und hier fesselt ein in greifbarer Nähe sitzendes farbenschillerndes Insekt unsere Aufmerksamkeit. Wir strecken gerade unsere Hand aus, um nach ihm zu haschen, als wir vor einer auf demselben Strauche liegenden wohl drei Meter langen Riesenschlange zurückprallen. Riesenschlangen sind zwar nicht so gefährlich, wie es nach den Bildern, die wir in unserer Jugend gesehen haben, scheinen möchte. Immerhin war es gut, daß wir die unsrige rechtzeitig sahen, denn wir müssen auf ein Mittel sinnen, ihrer habhaft zu werden. Ihr Kopf und eine fußlange Strecke des Halses, wenn man bei einer Schlange hiervon sprechen darf, liegt frei, und deshalb kommen wir auf den Gedanken, den Inhalt einer Schrotpatrone auf ihren Hals zu entleeren, möglich, daß eins der Schrotkörner das Rückenmark trifft und dadurch die Schlange lähmt. Gedacht, gethan. Der Plan gelang. Zwar ist der Kopf der Schlange noch äußerst munter und keineswegs damit einverstanden, daß wir den übrigen langen Schlangenkörper außer Aktion gesetzt haben, aber durch einige ihm applizierte derbe Schläge wird auch er beruhigt. Wir freuen uns, daß wir nunmehr auch einen Vertreter einer zweiten Reptilienordnung haben, und hängen ihn uns um den Nacken – beinahe hätte ich gesagt, als wirkliche und wahrhaftige Boa, wenn ich mich nicht zur rechten Zeit erinnerte, daß es Boas nur in Amerika giebt und daß unsere Schlange vielmehr ein Python ist, ein Name, der nebenbei einem spekulativen Pelzwarenhändler empfohlen sein mag, als verwendbar für eine von ihm zu erfindende neue Art haariger Schlangen, wie sie den Vorzug genießen, sich um den Nacken unserer Damen zu schlingen. Unser Python muß sich mit unserem eigenen Nacken begnügen und berührt, von ihm herabhängend, mit Kopf und Schwanzspitze nahezu den Boden.

Wir haben heute Glück; denn eben streicht ein Paar Nashornvögel rauschenden Flugs über den Wald. Auf einem unserer Flinte erreichbaren Baumast lassen sich die beiden sonderbaren Gesellen nieder, und wenigstens einer von ihnen wird unsere Beute. Er ist so schwer, daß er uns im weiteren Hantieren mit der Flinte hindern würde, weshalb wir ihn dem uns begleitenden Malayen übergeben, der sich geweigert hat, die Riesenschlange zu tragen, den Nashornvogel aber ebensowenig fürchtet wie die große Krontaube, die wir zum Schluß noch erlegen.

Es ist indessen Zeit, auf unser Schiff zurückzukehren, denn es soll noch eine Strecke weiter fahren. Wir hatten uns die Himmelsrichtung des Flußlaufes gemerkt und steuern mit Hilfe unseres Taschenkompasses direkt auf den Fluß zu, der auch nach einiger Zeit glücklich erreicht wird.

Ehe wir völlig aus dem Walde hinaus sind, sehen wir von einer kahlen Stelle des Ufers aus Sand in die Höhe fliegen.

Wir vermuten, daß hier eine Schildkröte ein Loch zum Ablegen ihrer Eier gräbt, laufen schnell hinzu, wenden das etwa einen Fuß im Durchmesser haltende Tier auf den Rücken und sind nunmehr auch im Besitz eines Vertreters einer dritten Reptilienordnung. Ein Schuß macht uns unseren Gefährten auf dem Dampfer bemerklich, man findet ein Boot, uns zu holen. Während der Dampfer sich in Bewegung setzt und keuchend und pustend stromaufwärts fährt, balgen wir unsere Tiere ab. Nashornvogel und Krontaube geben dabei noch einen vorzüglichen Abfall für die Küche, und auch das Innere der Schildkrötenschale bietet eine Delikatesse, die auch dem verwöhntesten Gaumen noch einigen Beifall abgewinnt. Die Schildkröte birgt überdies eine große Anzahl von Eiern, deren Eiweiß trotz allen Kochens zwar nicht gerinnen will, immerhin aber so wenig zu verachten ist wie der Dotter. Für die große Anzahl der Expeditionsmitglieder – außer uns befinden sich noch 11 Europäer an Bord – reicht der Nashornvogel und die Krontaube nicht zu einem Mahle aus. Wir entschließen uns deshalb, Tauben- und Nashornvogelfleisch mit dem des Python und der Rieseneidechse zu vermengen. Aber die Tiere sind nicht besonders fleischig, wir müssen immer noch auf Vergrößerung der zu dem in Aussicht genommenen Ragout erforderlichen Fleischmengen Bedacht nehmen. Da kommt uns ein glücklicher Umstand zu statten. An einer Stelle des Ufers stehen ausnahmsweise ziemlich niedrige Bäume, und diese sind, wie näheres Zusehen ergiebt, die Ruheplätze von fliegenden Füchsen. Ein Schuß bringt Leben in die träge Gesellschaft, die noch eben träumend und allenfalls sich fächelnd dicht gedrängt an den von der Sonne beschienenen Zweigen der Bäume herabhängen. In einem gewaltigen Schwarm erheben sich die Flattertiere in die Luft, hierbei dicht über unserem Dampfer hinwegfliegend, so daß wir mit einigen aufs Geratewohl gen Himmel entsandten Schrotschüssen mühelos ein halbes Dutzend von ihnen erbeuten. Sie erscheinen zwar nicht besonders verlockend, aber beim Abbalgen zeigt sich, daß ihr zartes weißes Fleisch gut zu unserem Ragout paßt. Dieses wird denn auch nach allen Regeln der Kunst hergestellt und reichlich mit Curry versetzt, jenem indischen Gewürz, an das sich der Europäer in den Tropen so leicht gewöhnt. Mit vorschriftsmäßig zubereitetem Wasserreis serviert, wird das Ragout schließlich mit viel Appetit verzehrt.

Nach dieser Schilderung sieht es nun zwar nicht so aus, als ob es in Neu-Guinea besonders spärlich herginge, aber wir haben auch einen guten halben Tag auf unsern Jagdausflug verwendet, sind bei diesem ganz ausnahmsweise glücklich gewesen, so glücklich, wie es im Laufe eines Jahres durchschnittlich nur ein- oder zweimal vorkommen mag. Außerdem waren wir zufällig auch noch auf die Schar fliegender Füchse gestoßen. Bei alledem hatten wir schließlich auch nur genug für eine einzige, allerdings ziemlich kräftige Mahlzeit. Im großen und ganzen muß man froh sein, wenn man bei Jagdausflügen in den Urwald Neu-Guineas durchschnittlich jede Stunde irgend ein Tier erlegt. Was man auf diese Weise erhält, beträgt im Laufe eines ganzen Tages in der Regel nicht mehr, als ein einziger Mann zu verzehren vermag. Und mit solchem Erfolg kann die Jagd nur dann betrieben werden, wenn sie allein Zweck eines Aufenthaltes im Urwalde ist. Wer gezwungen ist, diesen schnell zu durchstreifen, der wird vielleicht viele Tage lang nicht zum Schuß kommen. Dabei trifft die Schilderung, die ich von einem Jagdausflug gegeben habe, auch nur für die Ebene Neu-Guineas zu. Auf der Höhe des Gebirgs ist die Tierwelt weit spärlicher vertreten als in den Wäldern des Tieflandes.

Wir haben uns auch nach Eßbarem aus der Pflanzenwelt auf unserem Ausflug umgesehen, indessen nichts gefunden. Kokospalmen finden sich nur bei den Dörfern der Eingeborenen und fast nur in der Nähe des Meeres. Wilde Bananen sind nahezu ungenießbar. Ab und zu trifft man einen Brotfruchtbaum, der ein kohlartiges Gemüse bietet, das man mit den Beeren einer Kletterpalme ansäuern kann. Aber sonst findet man selten etwas Einladendes. Neu-Guinea ist ein an Nahrung entsetzlich armes Land, und wer Expeditionen in sein unerforschtes Innere zu unternehmen gedenkt, hat vor allem mit dieser Thatsache zu rechnen, die durch Ehlers’ und seines Begleiters Tod eine so tragische Beleuchtung erfahren hat.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_604.jpg&oldid=- (Version vom 26.10.2020)