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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

gefangenen Raubrittern, die den Pfeffersäcken das ihrige entreißen wollen, schließen sich an. Ingleichen der Prachtwagen der Künste mit Alt-Nürnbergs großen Männern, den Künstlern und Gelehrten, auf die ganz Deutschland stolz ist, und der nicht minder gelungene Wagen der Meistersinger, auf dem Hans Sachs den wohlverdienten Ehrensitz einnimmt. Ihm folgen seine zahlreichen Schüler und die Vertreter der Handwerke und Gewerbe mit mannigfachen Emblemen. Den Schluß bildet die Gruppe der Jagd, die dem ritterlichen Kaiser vor allem ans Herz gewachsen war. Aus ihr ist besonders die große Anzahl Damen hervorzuheben, welche hoch zu Roß den Zug verschönerten.

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Gruppen aus dem Festzuge.
Kaiser Maximilian, geleitet von Edelknaben mit Windlichtern.
Die Scheibe der Nürnberger Schützengesellschaft, auf welche Gustav Adolf geschossen.
Fürstliche Frauen im Gefolge Kaiser Maximilians.

Ebenbürtig stellte sich diesen Gruppen die letzte an die Seite: der Einzug Gustav Adolfs in Nürnberg. Dieselbe historische Treue in Bezug auf die Kostüme, dieselbe Farbenpracht, Mannigfaltigkeit, derselbe großartige Umfang, der die andern Gruppen auszeichnete, war ihr eigen. Selbst die alte Artillerie fehlte nicht. Eine merkwürdige historische Reliquie war die von zwei Kriegern getragene Scheibe der Nürnberger Schützengesellschaft, auf welche seiner Zeit Gustav Adolf selbst einen Schuß abgegeben, der Leser findet ihre Abbildung nebenstehend.

Etwas abgespannt, aber doch in gehobener Stimmung sind nach mehrstündigem Marsche durch die Stadt die Teilnehmer des Zuges auf dem Festplatze vor der Stadt bei St. Peter angelangt. Auf der Peterheide, offiziell Ludwigsfeld genannt, war man schon seit einem Vierteljahr unter Bauamtmann Försters Leitung und nach Professor Brochiers Entwürfen bemüht, eine Feststadt für die Schützen zu errichten. Einheitlich im Barockstil ausgeführt, standen auf der einen Längseite die riesige Festhalle (Abbildung S. 525), die durch nicht weniger als 60 Bogenlampen beleuchtet wurde, auf der andern die Bierhallen, während auf der hinteren Seite die Schießstände Platz gefunden hatten, welche die Zahl 150 überschritten. Neben dem Eingangsthor war Langs Riesenbierhalle des Ledererbräu und das Vergnügungsviertel mit Schaustellungen und Etablissements aller Art, so daß ein jeder etwas fand, was ihm paßte und Freude machte. Inmitten des Platzes erhob sich der imponierende Gabentempel, gekrönt von der Fortuna (Abbildung S. 525), sein wertvoller Inhalt wurde bis zur Preisverteilung streng bewacht, dann aber dauerte es nicht lange, bis die kostbaren Gewinne in alle Himmelsrichtungen zerstreut wurden.

Die Nürnberger haben schon acht Tage vor dem Feste sich eifrigst dem Studium der Bierverhältnisse auf dem Festplatze hingegeben. Die rechte Festesfreude aber brachten erst die Schützen mit. Am Samstagabend fand die Empfangsfeier in der Festhalte statt. Schützenmeister Pylipp-Nürnberg begrüßte die Gäste namens der Nürnberger Schützen-Gesellschaft, Rechtsrat Jäger namens der Stadt. Letzterer wies auf die Verdienste hin, welche sich Schützen, Turner und Sänger durch Hochhalten des Einheitsgedankens in früherer Zeit erworben, beide erhofften von diesem Feste eine Stärkung des deutschen Nationalgefühls, der brüderlichen Gesinnung aller deutschen Stämme, der Wehrhaftigkeit unseres Volkes. Der Vorstand des Gesamtausschusses des Deutschen Schützenbundes, Hauschild-Bremen, feierte, anknüpfend an Max von Schenkendorfs Verse, die Feststadt. Und diesen Reden folgten noch viele andere, die alle freudig aufgenommen wurden, so daß der Abend in schönster, animiertester und für die folgenden Tage vielversprechender Weise verlief.

In eben dieser imponierenden Festhalle fand nach Ankunft des Zuges das Festbankett statt, an welchem gegen 4000 Personen teilnahmen. Hier rief Gymnasialdirektor Vogt in ebenso gewandter als herzlicher Weise den Festgästen ein „Grüß Gott“ zu, das mit jubelndem Beifall aufgenommen wurde. Gleich freudige Aufnahme fand der Trinkspruch des Präsidenten Hauschild-Bremen auf Kaiser und Reich, die deutschen Fürsten und das deutsche Volk. Schützenrat Gerstle-Wien brachte den Gruß und Handschlag der deutschen Schützen Oesterreichs und endete mit einem Hoch auf die Feststadt. Namens derselben dankte Bürgermeister von Schuh, der zum Festhalten an dem errungenen einigen Vaterlande mahnte und den Gästen sein Glas weihte. Und so ging es noch lange fort, es wurden noch viele treffliche Worte, die von warmer Vaterlandsliebe und brüderlicher Gesinnung zeugten, gesprochen. Als das Bankett aber geendigt hatte, nahm das Konkurrenzschießen, an dem sich 130 Schützen beteiligten, seinen Anfang. Ein riesiges, betäubendes Geknatter ward vernehmbar und in kurzer Zeit waren je die ersten zehn Becher aus Feld und Stand herausgeschossen.

Die Sieger erhielten die wohlverdienten Preise nach Beendigung des Wettkampfes gleich überreicht, und unter allgemeinem Jubel zogen sie dann, von Kameraden auf die Schultern genommen, Militärmusik voran, in die Festhalle. In freudiger Stimmung endete der Hauptfesttag.

Am Montag früh aber begann der Wettkampf aufs neue. Von früh bis nachts waren alle Stände stark besetzt und gar fleißig waren die Schützen, deren sich weit über 3000 eingefunden hatten, an der Arbeit. Und nachmittags und abends nahm Nürnbergs Bürgerschaft regen Anteil an dem Feste, die verschiedensten Veranstaltungen wurden getroffen um den Gästen den Aufenthalt angenehm zu machen und ihnen Unterhaltung und Anregung zu bieten. Ein lustiges Leben und Treiben herrschte am dem Festplatze, und innerhalb des großen Festes spielten sich noch recht viele kleinere Feste und Veranstaltungen in engerem Kreise ab. Es dürfte kein Zweifel bestehen, daß Nürnberg den hohen Ruf, den es sich im Jahre 1861 durch Veranstaltung des großen Deutschen Sängerfestes als Feststadt erworben, sich bewahrt hat, daß es auch die heutige Generation seiner Bürger versteht Feste auszurüsten, und daß es ihm gelungen ist, sich in den Herzen der Tausende von Festgästen einen Platz zu erobern, aus dem es sich nimmer verdrängen lassen wird.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 526. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_526.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)