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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Lebzeiten des alten Herrn so manches Jahr gestanden hatten, und aus dem man sie geholt hatte, wenn sie in Not und Sieg dem preußischen Heere voranflattern sollten. Dichte Menschenmassen säumten den Weg vom Potsdamer Bahnhof bis zum Denkmal Friedrichs des Großen und harrten geduldig, bis endlich die schmetternden Fanfaren der alten Militärmärsche das Nahen des Zuges verkündeten. Hinter den Spielleuten ritt der Kaiser in großer Generalsuniform, ernst, fast finster blickend, als bewegte mehr die Erinnerung an den teuren Toten denn die Freude über den festlichen Tag sein Herz, ihm folgten die Fahnen und Standarten, mit Lorbeerbüschen geschmückt, von einer Ehrenkompagnie des ersten Garderegiments und einer Schwadron der Gardekürassiere geleitet. Die Feldzeichen wurden in das stille Haus gebracht, aus dessen historischem „Eckfenster“ im Erdgeschosse so oft das freundliche Greisenantlitz mit mildem Lächeln geblickt hatte, am nächsten Tage sollten sie den früheren Kriegsherrn im Bilde wenigstens wieder grüßen.

Die Veteranen im Bürgerfestzuge.

Es war der Tag der Denkmalsenthüllung. Von frühem Morgen ab durchtönten Trommelwirbel und Janitscharenmusik die Straßen Berlins. Von allen Seiten zogen die Regimenter, Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Train, nach den „Linden.“ Hierher war die gesamte Garnison der Hauptstadt, sowie Abteilungen einzelner Potsdamer und Spandauer Regimenter zur Parade befohlen.

Während sich die Truppen aufstellten, begann sich auch auf dem eigentlichen Festplatz ein reges Leben zu entwickeln. Vor dem purpurgeschmückten Kaiserzelt, welches gegenüber dem Denkmal in das Eosandersche Portal des Schlosses hineingebaut war und auf unserem obenstehenden Bilde zur Darstellung gelangt ist, versammelten sich die Staatsbehörden, der Reichskanzler, die Ministerien, die höheren Officiere, darunter auch viele ausländische, die Staatsbehörden, der Reichskanzler, die Reichstagsabgeordneten und sonstige Würdenträger. Reinhold Vegas, der Schöpfer des Monuments, war einer der wenigen gewöhnlichen Sterblichen in Frack und Cylinder, die sich in dieser Menge von gold- und silberglitzernden Uniformen gar bescheiden ausnahmen. Die großen rot ausgeschlagenen Tribünen, die sich die Westseite des Schlosses entlang zogen und auf der andern Seite das Denkmal in erweitertem Halbkreis umgaben, waren von einem zahlreichen geladenen Publikum besetzt. Alle warteten auf den feierlichen Augenblick, wo die graue, mit einem großen Reichsadler geschmückte Leinwandhülle, welche von hohen Masten herabhängend das Denkmal umgab, sich senken würde, um das Standbild den Blicken der staunenden Welt preiszugeben.

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Die Ehrenjungfrauen im Bürgerfestzuge.

Allmählich versammelten sich in dem Kaiserzelt die Kaiserin mit den jüngeren Prinzen und die anwesenden deutschen Fürsten, dann verkündeten laute Hurrarufe, die Klänge des Parademarsches und das Wehen von Taschentüchern von den „Linden“ her, das Nahen des Kaisers. Dieser hatte inzwischen die Parade über die Treppen abgenommen, jetzt führte er die Fahnen persönlich auf den Festplatz. Weithin leuchtete das Weiß seiner Gardeducorps-Uniform, über welcher er den schwarzen Panzer trug, und der silberne Adler auf seinem Helm. Der Kaiser begrüßte zunächst seine fürstlichen Gäste mit militärischem Gruß, dann wandte er seinen Braunen und nahm dem Denkmal gegenüber Aufstellung. Die Truppen formierten ein offenes Karree und ein Bläserchor spielte eine feierliche Melodie, bis Generalsuperintendent Dr. Faber vortrat und mit klarer, deutlich über den Festplatz hallender Stimme ein zu Herzen gehendes Weihegebet sprach, in welchem er den Segen des Höchsten auf das Vaterland und auf das neue Werk herabflehte. Nachdem der Geistliche geendet hatte, kommandierte der Kaiser mit hellem, scharfem Ton: „Abschlagen“ die Trommler rührten die Trommeln, die Spielleute bliesen, dann folgte das Kommando: „Stillgestanden, Gewehr über!“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_269.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)