Seite:Die Gartenlaube (1897) 255.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

welcher, Zeuge der Zertrümmerung des Weltalls, dessen Ruinen mit ruhigem heiteren Auge betrachtet. Als aber endlich aus der Heiterkeit ein Tumult wurde, flüchtete er sich aus dem Gedränge und zog sich mit Hilfe seiner Pagen zurück. Gleichzeitig war auch die Kronprinzessin verschwunden. Ich war unglücklich genug, nicht einen Bedienten zu finden, der sich meiner Hilflosigkeit erbarmt hätte. Ich kam so tappend der großen Treppe zu nah und stürzte von oben hinab. Am Morgen sprach man von Trepanieren, indes mußte ich doch vierzehn Tage das Bett hüten. Das ganze Schloß war zum Sterben krank. Weder der Prinz, noch einer der Kavaliere konnte sichtbar werden und die Prinzessin befand sich beim Diner ohne Herren. Man wird in Rheinsberg noch lange an diesen Tag denken, der glücklicherweise wenig Brüder zählt, da der Prinz durchaus kein Trinker ist.“

Bielfeld hatte längere Zeit die Gastfreundschaft des Rheinsberger Hofes genossen, war dann nach Hamburg zurückgereist, bald aber vom Kronprinzen wieder nach Rheinsberg gerufen worden. Der König in Berlin lag schwer krank danieder; der Prinz wurde an sein Krankenlager beschieden – nicht lange währte es, so kam die Todesnachricht nach Rheinsberg: Prinz Friedrich König! Großer Jubel herrschte bei seinen Genossen; man huldigte begeistert der noch in Rheinsberg anwesenden Königin. Die Stimmung war eine ähnliche wie bei den Genossen des Prinzen Heinz, bei Falstaff und den anderen, als dieser König von England geworden; man träumte von goldenen Bergen.

Herr von Knobelsdorf kam zu Bielfeld, der sich eben zu Bett gelegt, ins Zimmer gestürzt mit der Freudenbotschaft; dabei rannte er im Finstern wider einen Tisch, warf ihn um und das ganze kleine Silbergeld, das Bielfeld dort aufgezählt hatte, um seine Spielschulden zu bezahlen, flog mit großem Getöse im ganzen Zimmer herum. „Das Licht kam,“ erzählt Bielfeld weiter, „ich sprang aus dem Bette und machte Anstalt, die zerstreuten Münzen aufzulesen; er aber ließ es nicht zu und sagte: ,Ist es wohl in einem Augenblick wie der jetzige erlaubt, an dergleichen unnütze Kleinigkeiten zu denken, Dreier aufzulesen, da es bald Dukaten auf uns regnen wird?’“ In einer noch gehobeneren Stimmung als Knobelsdorf befand sich Keyserling, der auf einmal, als die Rheinsberger sich zu den Trauerfeierlichkeiten nach Charlottenburg begaben, sich hier als einen bevorzugten Günstling von zahlreichen Bittstellern umlagert sah. In Rheinsberg hatte ihm der Prinz den Namen „Cäsarion“ gegeben; mit diesem Namen hatte er alle seine Thüren bezeichnet. „Täglich erhielt er gegen fünfzig Glückwünsch- und Bittschreiben und gab einer großen Menge von Sekretären bloß mit dem Antwortschreiben vollauf zu thun. Bei ihm scheint die Hippokrene überzulaufen und von seiner Feder fließen die Verse stromweise; allein sie sind nicht immer gerade von dem besten Schlage. Er empfängt alle Tage von dem Könige kleine Geschenke, die in seiner Seele ebensolche Wirkung hervorbringen, wie sonst große Wohlthaten der andern zu haben pflegen. Er springt mit einem kleinen Bernsteinpfeifchen, das an einem Knopfloche hängt, im Garten und im ganzen Schlosse herum, spielt auf seiner Baßgeige, singt, lacht, scherzt und macht tausend Späße. In der That gab der gute Obrist das Bild eines von Größenwahn Ergriffenen und verfiel auch bald in ein hitziges Fieber. Er spielte künftig keine große Rolle mehr.“ Eine größere war Bielfeld beschieden; er wurde im Sommer 1740 nach Hannover mit dem Grafen Truchseß geschickt, dann nach London, um sich für den diplomatischen Dienst auszubilden; er benutzte seinen dortigen Aufenthalt, um die englischen Sitten zu studieren, von denen er in seinen Briefen eine ergötzliche Schilderung giebt. Zurückgekehrt, wurde er zum Legationsrat ernannt und dann von dem Könige nach Schlesien berufen, wo er 1741 der Belagerung von Neisse beiwohnte und bei einem Spazierritt, den er während eingeleiteter Verhandlungen unternahm, in der Nähe der Festung zwischen zwei Feuer geriet, indem die Feindseligkeiten plötzlich wieder eröffnet wurden.

Von den Breslauerinnen weiß er sehr viel Liebenswürdiges zu erzählen, sowohl von den vornehmeren Damen als von den Frauen aus dem Volke; er rühmt ihre Galanterie. Die preußische Garnison in Breslau hatte anfangs nur aus vier Bataillonen Füselieren bestanden, den unansehnlichsten Leuten der Armee. Als aber die Garde, „lauter sechs Fuß hohe, wohlgebildete, gleichsam gedrechselte Leute, mit Blau und Silber bekleidet und wie Adonis frisiert und gepudert, in die Stadt einrückte“, da herrschte, wie Bielfeld sagt, ein großer Aufruhr im Reiche der Galanterie. Er sah eine artige junge Frau, welche die bittersten Thränen weinte, vorüberrennen. Auf Befragen erklärte sie seufzend, daß sie sich mit einem Füselier aus dem Regiment von Münchow verheiratet habe, jetzt aber ihre Uebereilung beklage, weil sie einen Soldaten von der Garde, sechs Fuß zwei Zoll hoch, heiraten könnte, wenn sie ihre Hochzeit nur um acht Tage länger aufgeschoben hätte.

In Berlin glänzte Bielfeld als eine Art von Hofpoet; bei der Hochzeit des Prinzen von Preußen hielt er die Strohkranzrede und sattelte seinen Pegasus auch bei anderen festlichen Gelegenheiten.

Im Jahre 1745 wurde er zum Hofmeister des Prinzen Ferdinand ernannt, welcher nicht befürchten durfte, mit zu viel Gelehrsamkeit gequält zu werden. Mit diesem jüngsten Bruder des Königs siedelte er dann in das Schloß zu Potsdam über und befand sich so in Friedrichs nächster Nähe, den er auch damals auf seinen Reisen nach Schlesien und Pommern begleitete. In diese Zeit fällt ein Schloßbrand in Potsdam, der recht lustige Scenen zur Folge hatte. Er war im Zimmer der Königin-Mutter ausgebrochen; die hohe Frau wurde über den Schloßhof in einem Tragsessel von zwei Soldaten der Leibwache getragen und auf der einen Seite durch den Gardeoffizier von Pattnewitz, der völlig angekleidet, gestiefelt und gespornt und im Oberrock war, auf der andern von Baron von Pöllnitz im Schlafrock, Pantoffeln und mit einer Nachtmütze begleitet: daneben stürzten, beim traurigen Ton der Trompeten, Hofdamen im Unterrock und barfuß; Hofkavaliere im Hemde oder im bloßen Schlafrock auf den Schloßhof; ja man sah eine Dame, welche zwei Strümpfe übereinandergezogen hatte und den andern Fuß nackend zeigte. Doch hatte der Unfall weiter keine Folgen; drei bis fünf Zimmer im Schlosse brannten aus.

Das wichtigste Ereignis in Bielfelds Leben war jedenfalls, daß ihn per König bei einer Reise in Pommern 1747 zum Oberaufseher über alle seine Universitäten ernannte: Halle, Frankfurt an der Oder, Königsberg, Duisburg und Bingen. Dies erinnert doch etwas an das Stockregiment des Königs Friedrich Wilhelm I., der seine Gelehrten zu Hofnarren machte. Der große Friedrich stellte sie alle unter die Aufsicht eines Hofmannes, der nie gelehrte Studien gemacht hatte und in seinen Briefen sich über den alten Homer in sehr ketzerischer Weise ausspricht. Gleichzeitig wurde Bielfesd Direktor des Berliner Hospitals und stellvertretender Intendant des Hoftheaters. Auch einige Lustspiele, natürlich nach französischen Vorbilden, hatte er verfaßt; der Schauspieldirektor Schönemann, der sie zur Aufführung brachte, erwähnt dieselben in seinen „Denkwürdigkeiten“. Als ein Mann von so vielen Würden hielt er es für angemessen, jetzt in den Stand der Ehe zu treten. Schon vor fünf Jahren hatte er sich um eine reiche junge Dame in Halle beworben, doch ohne Erfolg. Da sie noch unverheiratet war, erneuerte er jetzt seine Bewerbung, als ihn eine Amtsreise in die Universitätsstadt an der Saale führte. Einige philosophische Betrachtungen über die Ehe, die er bei dieser Gelegenheit machte, sichern ihn vor dem Verdacht, ein besonders schwärmerischer Liebhaber gewesen zu sein.

„Die Braut,“ sagt er, „malt man niemals anders als mit den schmeichelhaftesten Farben. Allein die Heirat ist sehr geschickt, den falschen Glanz derselben auszulöschen. Die Larve fällt ab, die Frau bleibt da und die Schönheit vergeht. Eine Braut muß viele Verwandlungen durchmachen. Sie ist in den Augen des neuen Gemahls eine schöne Raupe, welche die Natur mit den lebhaftesten Farben geziert hat; einen Monat nach der Hochzeit wird sie eine solche Raupe, die man eine Puppe nennt und die für ihn schon ganz leblos und tot zu sein scheint, und nicht lange darauf sieht man sie in einen wirklichen Schmetterling verwandelt. Damit ich das letzte Unglück vermeide, habe ich mich auf doppelte Art vorgesehen. Einmal habe ich den Charakter ins Auge gefaßt, der bei Madmoiselle von Reich, soweit man ihn bei einem Frauenzimmer beurteilen kann, vortrefflich zu sein scheint, und dann das sehr ansehnliche Vermögen, das mich auf alle Fälle schadlos halten könnte.“ Die Heirat fand 1748 statt. Der König verlieh ihm bei diesem Anlaß den Baronstitel. Bielfeld kaufte den neuen Palast des Grafen von Keyserling in der Wilhelmsstraße in Berlin; doch

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_255.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)