Seite:Die Gartenlaube (1897) 158.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Kaiserwappens und den Krönungsmantel besäte, sondern auch Waffen schmückte, die er an hervorragende Offiziere verlieh. Ein Paar künstlerisch mit Perlmutter ausgelegter Pistolen, welche die Inschrift Palais Royal à Paris auf dem Feuerschloß tragen und von französischen Offizieren nach der Schlacht zurückgelassen wurden, stammt noch aus dem Besitz des unglücklichen Königs Ludwig XVI., der 1793 hingerichtet wurde. Auch ein Stück jener Brandraketen ist hier vorhanden, wie sie die nach dem Erfinder derselben benannten Congreveschen Raketenbatterien führten. Eine solche Batterie erzielte unter dem Kommando des englischen Kapitäns Bogue in dem wütenden Kampf um den Besitz von Paunsdorf am 18. Oktober 1813 einen unbestrittenen Erfolg. Der verheerenden Wirkung ihrer Geschosse war es hauptsächlich zuzuschreiben, daß die Reiterei der französischen Garde unter dem Befehl Nansoutys zurückweichen mußte. Der Säbel eines preußischen Husaren, auf dessen Klinge mit zitternder Hand in Blut das Datum der Schlacht vermerkt ist, die für ihn verhängnisvoll geworden war, erweckt unser ganzes Mitgefühl für die, denen dieser letzte Gruß gelten sollte.

In einem anderen Kabinett stimmt uns der Anblick einer auf dem Schlachtfelde aufgefundenen Tabakspfeife, deren Rohr und Kopf mit Perlen umstickt ist – gewiß das Liebeszeichen einer Soldatenbraut! – nicht minder wehmutsvoll.

Napoleon in der Tinte.
Karikatur auf Napoleon I. aus dem Jahre 1814.

Als Zeugen dafür, daß auch Frau Musica im Gefolge der Kriegsgöttin am Kampfgewühl stark beteiligt war, können wir wohl den alten preußischen Schellenbaum sowie das zerborstene Schlachthorn der Freischärler ansehen, welche im Verein mit anderen Gegenständen – darunter eine tscherkessische Feldflasche – unser Anfangsbildchen darstellt.

In den Bekleidungsschränken sind es neben allerlei bunten Uniformen vor allem die vielgestaltigen Kopfbedeckungen, die uns Bewunderung abnötigen; mächtige Bärenmützen der Garden (siehe die Illustration am Schluß), Helme der Lanciers mit ihrem phantastischen Schmuck (vgl. unser Initialbildchen), die typische Blüchermütze und die Hutform Napoleons. Am meisten aber spricht uns der schwarze Tschako der deutschen Freiwilligen an, wissen wir doch, daß unter einem solchen Patrioten wie Theodor Körner, Jahn (der Turnvater), Fröbel und andere für die Freiheit des Vaterlandes stritten. Und wie aus weiter Ferne hören wir es leise im Ohre klingen: „Das ist Lützows wilde verwegene Jagd!“

Interessant lesen sich die gedruckten Befehle und Erlasse hoher Militärpersonen sowie die Bekanntmachungen des damaligen Rats der Stadt Leipzig. Nach diesen ist es der Pleißenstadt vor allen ihren Schwestern im Reiche zu jener Zeit oft recht schlecht ergangen. Schon 1806 soll sie 45 000 Stab feines Offizierstuch „zum Bedürfniß der Kaiserlich Französischen Armee“ beschaffen. Am 21. September 1807 erlegt der Kaiser der Franzosen dem „Leipziger Creyße“ eine Kontribution von 2 896 740 Franken auf. Und zu diesen und anderen Forderungen kamen dann die Verluste des großen Kriegsjahres 1813 mit den Opfern, die Einquartierung und Pflege zahlloser Verwundeter forderten – fürwahr ein hartes Los für die arme Bevölkerung!

Einen wertvollen Schatz des Museums bildet die Autographensammlung, die an 300 seltener Dokumente, Briefe, Generalstabsberichte, Ordres etc. enthält. Die hervorragendsten Personen jener Zeit, Napoleon, Blücher, Theodor Körner, Königin Luise, sind in mehrfachen Nummern vertreten, Handschriften des Diostuprenpaares Goethe und Schiller sind vorhanden. Ergötzlich liest sich eine Ordre des „Marschall Vorwärts“, die sich gegen Bernadotte, den von den Ständen zum Kronprinz von Schweden erwählten nachmaligen König Karl XIV., wendet, weil er, obschon einer der Hauptführer der alliierten Armeen, durch seine zögernde zweideutige Kriegführung gegründeten Verdacht geheimer politischer Pläne erregte. Der alte Haudegen, der schlecht mit Feder und Tinte umzugehen wußte und seine Befehle mit dem Schwert an der Faust zu diktieren gewohnt war, schreibt in unbeholfener verkleckster Handschrift und mit eigener Orthographie am 16. Oktober 1813 auf der Höhe von Möckern bei Lindenthal:

Wenn der Hund von zigeuner nicht sofort erscheint, so muß in daß heilig kreuz granaden bomben Donnwetter klein schlachen.       Blücher“

Zahlreiche Bilder schmücken die Wände, in Oel- oder Wasserfarben gemalt, Kupferstiche und Holzschnitte. Fürsten schauen hoheitsvoll, Heerführer grimmigen Angesichts auf uns herab, Schlachtenscenen und Ansichten brennender Ortschaften erregen unsere Phantasie, wecken unser Mitleid. Wir sehen Napoleons Schwager Murat, den an seinem theatralischen Aufputz kenntlichen König von Neapel, im Kampfe mit einem Preußischen Dragoneroffizier, vor dessen Todesstoß ihn einer seiner Reiter schützt. Hier ist der jähe Untergang des polnischen Fürsten Poniatowski dargestellt, der auf der Flucht durch Leipzig in der Elster ertrank, nachdem die Brücke deren Zerstörung die französische Armee vor der Verfolgung des Feindes schützen sollte, durch diese selbst zu früh in die Luft gesprengt worden war. Dort wird uns die Ernennung Blüchers zum Feldmarschall am 19. Oktober 1813 auf dem Leipziger Marktplatze vorgeführt.

Auch der Humor kommt in einer Reihe von Bildern zum Ausdruck, die sich mit beißendem Spott gegen Napoleon richten. Karikaturen sind es, die nach des Korsen Besiegung und Abdankung (April 1814) sowie auf seine Verbannung nach Elba hin in Deutschland, Frankreich und England wie Pilze aus dem Boden hervorschossen.

Auf dem einen Blatt streckt Napoleons Sohn mit dem Rufe: „Vater, wo bist Du?“ die Arme verlangend nach dem Vater aus. Und das Bild giebt gleich auch die Antwort: Napoleon selbst sitzt in einem großen Fasse – „in der Tinte!“ Ein anderes Bild, in Oel ausgeführt, zeigt uns den Oestereicher, Preußen, Russen und Schweden, wie sie zusammen einen Napoleonshut emporhalten; unter diesem erscheint, von den Umrissen der Männer gebildet, deutlich des Korsen Kopf; im Hintergrunde erkennt man die Türme Leipzigs. Die nachstehenden Verse erläutern das Ganze:

„Ein Hut allhier ein Haupt bedeckt:
Alle sollten werden darunter gesteckt,
Für alle war er eine schwere Last –
Drum weg mit ihm, weil er nunmehr keinem jetzt paßt!“

Diese und andere Karikaturen aus jener Zeit sind auch in dem Werke „Napoleon I. in Bild und Wort“ von Dayot-Bieberstein (Verlag von Schmidt u. Günther, Leipzig) abgebildet.

Durchaus nicht humoristisch wirkt dagegen ein höchst origineller Kupferstich deutscher Herkunft. Er giebt das Porträt

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil's Nachfolger, 1897, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_158.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2021)